Nur für mich und dich – das Festival MUSICA beginnt am 15. September

Die 40. Ausgabe des Festival Musica beschreitet neue Wege. Was eigentlich für ein Festival der Neuen Musik sowieso immer der Fall ist. Doch nun geht es nicht nur um neue Musik und neuerliche Instrumente, sondern auch um neue Formen der Veranstaltung.

Das Festival MUSICA erlaubt sich dieses Mal einen Blick in unser innerstes Ich und verspricht Geheimnisse. Foto: Festival MUSICA

(Michael Magercord) – Hat nicht jeder Konzertbesucher schon einmal davon geträumt, die Aufführung fände nur ihn statt? Wie ein kleiner König säße ich da in meiner Loge und die Musiker mühten sich nur für mich an ihren Instrumenten ab. Und siehe: Nun könnte diese Vision wahr werden – aber plötzlich erschaudert man dann doch bei dem Gedanken, ich säße da ganz allein als einziger Zuhörer im Raum und stünde damit ebenso im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie sonst nur die Musiker…

In seiner 40. Ausgabe des Festivals Musica wird es zum ersten Mal Konzerte für nur einen Zuhörer geben. An bislang geheimgehaltenen Orten werden 300 Konzerte aufgeführt. Wer wird spielen? Wie viele? Und was? Alles bleibt im Geheimen, einzig einen Zeitpunkt kann man sich im Voraus auf der Website des Festivals reservieren, den Ort wird man erst eine Stunde davor per SMS gewahr, und den Inhalt des Konzertes erst beim Konzert selbst. „Concerts pour soi“ nennt sich diese Serie, deren Absicht es ist, eine neue Art der Präsentation zu finden, die auf die Hörgewohnheiten der heutigen Zeit angepasst ist, in der doch ein jeder unter dem Kopfhörer in aller Öffentlichkeit für sich allein sein eigenes Programm genießt.

Ganz im Sinne des Mottos der diesjährigen Ausgabe des Festivals MUSICA, die die „Dimension Ich“ in der Musik ausloten soll, und zwar sowohl für die Hörer als auch die Musiker. Modern ausgedrückt geht es also um das Zusammenwirken von öffentlichen und privaten Sphären, oder noch moderner gesagt: um die Dialektik zwischen inklusiv und exklusiv. Und noch anders gesagt, soll man erkennen, dass Musik kein Maschinenwerk eines strengen Notensatzes ist, sondern von Individuen gemacht und gehört wird. Nun beschlich uns als das Individuum-Hörer bei der neuen Musik ohnedies so manches Mal das Gefühl, Musiker und vor allem Komponisten machten eh schon, was sie wollten. Aber so einfach ist es eben nicht, denn oft ist gerade die sogenannte Neue Musik strenger in ihrer Form als die guten alten melodischen Klänge. Die Kriterien sind stattdessen äußerst formalistisch, mehr jedenfalls, als der übliche Hörer sich dessen gewahr wird. Wird die Neue Musik jetzt wieder vom formalistischen Überbau befreit, sprich zugänglicher und dadurch vielleicht auch wieder erfahrbarer?

Das Programm des Festivals bietet jedenfalls eine große Bandbreite dessen, was als neu in der Musik gilt. Dazu zählt nicht nur das alte Neue der Atonalität und die auch nicht mehr so neue elektronischen Klänge, sondern auch die Art ihrer Vorführung – sei es als Einzelkonzert, mit vorgefertigten Videos und Performances oder live übertragenden Aufnahmen aus dem Inneren der gerade gespielten Instrumente.

Natürlich dienen diese Anreize auch dazu, der Musik eine neue Zuhörerschaft zu erschließen, denn der bürgerlichen Kunst bricht mehr und mehr das Publikum weg. Das Festival MUSICA hat unter seinem jungen Direktor Stéphane Roth schon die letzten Ausgaben versucht, dagegen anzugehen und wohl auch einen Zuwachs unter den Jüngeren erreicht, insgesamt aber einen – allerdings auch Corona-bedingten – Rückgang der Zuschauerzahlen verzeichnen müssen.

Ob sich die Neue Musik mit den immer neueren Formen ihrer Darbietung wieder berappelt und das Interesse an ihr nach oben gehen wird? Einen Versuch ist es allemal wert, und wer dieses Experiment unterstützen will, ist in Zeiten der klammen öffentlichen Kassen eingeladen, selbst zum Mäzen des Festivals zu werden. Mit nur – selbstverständlich steuerabzugsfähigen – 80 Euro kann jeder als Unterstützer tätig werden. Diese Form des Mäzenatentums stellt ja in sich selbst schon ein Experiment dar, denn es stellt sich die Frage, ob sich mit der Streuung seiner Mäzene auch der Inhalt des Festivals verändern wird?

Los geht’s mit diesem noch klassisch von der öffentlichen Hand finanzierten 40. MUSICA am 15. September erst einmal ebenso klassisch: nämlich mit der Welturaufführung des kompletten Zyklus „Migrants“ des Altmeisters der Moderne Georges Aperghis an einem der klassischsten Orte der Stadt, dem Palais des Fêtes. Unter dem Namen „Sängerhaus“ wurde der erste große bürgerliche Konzertsaal im wilhelminischen Straßburg 1903 eingeweiht und diente lange als Heimstätte der Straßburger Philharmonie. Danach wird sich das Festival dann an unterschiedlichsten Örtlichkeiten der Stadt ausbreiten: an so schönen wie der Kirche St. Paul, so brandneuen wie dem La Prokop, so architektonisch misslungenen wie dem Maillon in Wacken – und an so geheimnisvollen wie bei den Konzerten für mich und für dich…

40. Festival MUSICA – Straßburg
Offene Konzerte und 300 intime Veranstaltungen
15. bis 29. September in Straßburg
30. September bis 2. Oktober in Nancy

Informationen unter: www.festivalmusica.fr

Das vollständige Programm findet sich HIER!

Karten für alle Veranstaltungen lassen online HIER erwerben.

Zur Teilnahme an den geheimen Konzerten „Concerts pour soi“ (10 Euro) einfach Tag und Uhrzeit festlegen und auf der Website buchen. Alles Weitere folgt dann per SMS.

Und man kann natürlich auch einfach im Festivalbüro im Zentrum von Straßburg Karten für alle Konzerte und Konzertchen direkt erstehen:
11 rue Mercière
DI – SA, 13 bis 18 Uhr

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