Nur noch eine Woche…

… dann ist Europawahl. Begeisterung will nicht aufkommen und das Thema, von dem am wenigsten geredet wird, ist „Europa“. Der 9. Juni könnte ein trauriger Tag werden.

Der Zustand dieser Plakatwände sagt viel über die Begeisterung der Wähler für die Europawahl aus... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Nun ist der Wahlkampf für die Europawahl so gut wie vorbei und man muss sich darauf einrichten, dass wir am 9. Juni, also in einer Woche, einen traurigen Rekord verzeichnen müssen, nämlich den der schlechtesten Wahlbeteiligung, außer in Belgien, denn dort ist das Wählen obligatorisch. Natürlich wird die schwache Wahlbeteiligung die Extremisten bevorteilen, die immer in der Lage sind, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Doch dass wir am 9. Juni in eine grundlegende Europa-Krise stolpern werden, haben sich die Parteien selbst zuzuschreiben. Denn statt überall in erster Linie nationale Wahlkämpfe zu führen, hätte man sich ja durchaus auch mal etwas zum Thema „Europa“ ausdenken können, aber das war wohl zu schwierig.

Keine Partei hat ein echtes Projekt zur überfälligen Reform der europäischen Institutionen vorgelegt, die inzwischen in erster Linie wegen Korruptions- und Spionage-Affären in den Schlagzeilen sind. Die „Programme“ der unübersichtlich vielen Parteien stellen zumeist dieselben Forderungen auf, die sie bei jeder Wahl aufstellen, ohne dass diese Forderungen umgesetzt werden, sobald die Wahlen vorbei sind.

Die Europäische Union ist ein Verwaltungs-Monster geworden, das in politischen Fragen zumeist handlungsunfähig ist, weil bei den 27 Mitgliedsstaaten immer ein paar dabei sind, die ihr Veto gegen europäische Beschlüsse einlegen und damit den ganzen Laden ausbremsen können. Gewiss, ein paar rechtsextreme Formationen fordern gar die Abschaffung der Union, andere fordern die Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit, die von denjenigen verhindert werden wird, die davon profitieren, dass sie die EU erpressen können, wie beispielsweise Ungarn, dass sich eine gelegentliche Zustimmung zu Beschlüssen inzwischen mit Milliarden bezahlen lässt.

Doch wie das Europa von morgen aussehen soll und kann, dazu gibt es kaum tragfähige Ideen. Das ganze Gerede von Sicherheit, Immigration und Ukraine-Krieg ist nicht viel mehr als Geschwätz, denn niemand verfügt heute über Konzepte, mit denen man neue Phänomene wie den Gewaltanstieg in der Gesellschaft in den Griff bekommen kann.

Und da niemand so richtige Ideen für Europa hatte, erlebten die Europäerinnen und Europäer 27 nationale Wahlkämpfe, geführt von Hinterbänklern, die es in die Positionen der Spitzenkandidaten gespült hat, da die Parteioberen (übrigens in fast allen Ländern) wenig Lust verspürten, sich in dieser „Abstrafwahl für nationale Regierungen“ die politische Karriere versauen zu lassen. Doch wie kann man einerseits davon reden, wie wichtig diese Wahl doch sei, gleichzeitig aber Kandidaten und Kandidatinnen aus der 3. Reihe ins Rennen schicken? Und weil das so war, erlebten die Mutigen, die sich noch die Debatten der Kandidaten im Fernsehen anschauten, die wohl schlechtesten und niveaulosesten Debatten, seit es politische TV-Duelle gibt. Da keifte Not gegen Elend, da „glänzten“ die „Spitzenkandidaten“ mit Unkenntnis der Dossiers, mit fehlenden Ideen und mit personifizierter Inkompetenz.

Kein Wunder, dass die Europawahl am 9. Juni so wenig Begeisterung oder auch nur Interesse in den europäischen Ländern auslöst. Doch ist diese Wahl tatsächlich wichtig, denn es gibt klare Anzeichen dafür, dass sich die „Weimarer Republik“, also der Vorabend des Nazi-Faschismus, heute auf europäischer Ebene wiederholt. 34 Listen in Deutschland, 38 in Frankreich und auch anderswo zerbröselt gerade die politische Landschaft, da einerseits die traditionellen Volksparteien ausgedient haben, sich aber gleichzeitig keine neuen Formationen gebildet haben, die dieses Vakuum ausfüllen könnten. Der Beginn der Weimarer Republik, zusammen mit Gewalt auf der Straße, lief genauso ab und das ist ein Anzeichen dafür, was kommen wird.

Ohnehin trauen die Bevölkerungen ihren Parteien schon längst nicht mehr zu, die aktuellen Weltkrisen managen zu können. Politik, das sind heute hoch bezahlte Jobs, in denen viele Amtsträger der Versuchung erliegen, sich von Lobbys (oder sogar feindlichen Mächten) korrumpieren zu lassen. Dass dies keine sonderliche Motivation ist, am 9. Juni wählen zu gehen, ist nachvollziehbar.

In welches Chaos sich die Europäische Union am 9. Juni stürzen wird, kann man noch gar nicht überschauen. Nur eines ist klar – am Wahlabend werden wir jede Menge zufriedener Politiker auf den Bildschirmen sehen, die von „Erfolgen“, „Aufträgen der Wählerschaft“ und halt dem üblichen Politik-Sprech reden werden. Auf der Strecke, und diese Gefahr ist real, wird Europa bleiben. Aber darum werden sich ja die dann gewählten Hinterbänkler kümmern. Wie sagte Nina Ruge am Ende ihrer Sendungen? Alles wird gut…

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