Ob Wladimir Putin mit diesen Reaktionen gerechnet hat?

Der mörderische Ukraine-Krieg dauert erst knapp eine Woche, doch die Sanktionen haben bereits massive Auswirkungen auf die russische Wirtschaft und das Leben in Russland.

Anders als 2014 steht die Welt heute gemeinsam für den Frieden auf - damit dürfte Putin nicht gerechnet haben. Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – 2014. Wladimir Putin überfällt die Krim, annektiert die strategisch wichtige Halbinsel und startet den nie erklärten Krieg um den Donbass. Die Welt ist empört und verfasst zahlreiche Protestnoten und Presseerklärungen. Ein paar wirkungslose Sanktionen kommen dazu. Aber nichts richtig Einschneidendes, denn man will es sich ja mit Russland nicht verderben. Das war der Erfahrungswert von Wladimir Putin, der bei seinem aktuellen Überfall auf die Ukraine zweifellos damit gerechnet hatte, dass der Westen erneut nur lauwarm reagieren würde. Aber das tat er nicht. Die Welt, bis auf ein paar unverbesserliche Putin-Fans wie Indien oder den Iran, ist zusammengerückt und reagiert heute so, wie sie es 2014 nicht getan hat. Und plötzlich steht Russland politisch, wirtschaftlich und sogar geographisch isoliert und unter Druck da. Die Frage ist nur, wie es weitergeht.

Die Welt ruft laut und vernehmbar nach Frieden und der Schulterschluss gegen den Krieg ist erfolgt. Innerhalb kürzester Zeit ist Russland politisch isoliert worden, mit noch nie dagewesenen Sanktionen überzogen worden, die in dieser kurzen Zeit bereits die Wirtschaft des Landes ernsthaft erschüttern und dabei ist der Westen bereit, auch massive Nachteile und Probleme für sich selbst zu akzeptieren, womit niemand, und schon gar nicht Putin, rechnen konnte.

Einen solchen internationalen Schulterschluss hat die Welt bisher nur einmal erlebt – als sie gemeinsam Nazi-Deutschland bekämpfte und besiegte und auch damals mussten die Alliierten große, riesige Opfer bringen, um die Gefahr abzuwenden, die der gesamten Welt drohte. Diese Opfer waren nicht „nur“ die Millionen und Abermillionen Opfer des II. Weltkriegs, sondern auch wirtschaftlicher Natur. Ähnliches erleben wir heute.

Die Lügen des Wladimir Putin werden selbst in Russland kaum noch geglaubt, es könnte sein, dass Putin einen riesigen Fehler begangen hat. Aus Kreisen der Armee hört man, dass viele Generäle diesen Bruderkrieg am liebsten sofort stoppen würden, der Wirtschaftskreislauf ist zusammengebrochen, Russland ist durch die Luftblockaden praktisch vom Rest der Welt, bis auf seine Satellitenstaaten, abgeschnitten, die für das russische Prestige so wichtigen Sportler sind in praktisch allen Disziplinen gesperrt und von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Kultur. Im Westen gilt ab sofort, „wer Putin unterstützt, fliegt“. Ob Putin wirklich mit diesen Reaktionen gerechnet hat? Wohl kaum, denn innerhalb weniger Tage ist eine weltweite Koalition entstanden, die nicht zögert, knallhart gegen Putins Angriffskrieg vorzugehen.

Vieles wird dadurch möglich, im Guten, wie im Schlechten. Selten war die Welt so solidarisch wie heute mit den heldenhaften Ukrainern, die sich einer militärischen Übermacht entgegenstellen und dabei fast von der ganzen Welt unterstützt werden. Die Welt erhält dadurch eine einmalige Chance, künftig in vielen Bereichen so entschlossen solidarisch zu handeln. Hoffen wir, dass diese Chance genutzt wird.

Sah sich Putin 2014 einem lauen Wind der Empörung gegenüber, bricht heute ein politischer und wirtschaftlicher Tsunami über Russland herein. Und nicht nur Russland ist isoliert, auch Putin selbst. Er ist von Krankheit gezeichnet und es fällt auf, dass er selbst zu früheren Vertrauten einen Abstand von 15 bis 25 Metern hält. Wahrscheinlich geht es dabei weniger um seine Angst, sich mit Covid anzustecken, als vielmehr um die absolut berechtigte Furcht vor einem Attentat.

Es scheint klar, dass Russland ohne Putin ganz anders agieren würde. Der Krieg gegen die Ukraine findet wenig Beifall in Russland, es gibt viele gemischte Familien, viele Russen haben Verwandte und Freude in der Ukraine und umgekehrt ebenfalls. Die Menschen wollen Frieden und keinen Bruderkrieg, in dem Putin praktisch nur noch sein Hilfszwerg Lukaschenko folgt. Die Armee-Führung steht nicht geschlossen hinter Putin und die Generäle wissen ebenso wie Putin, dass dies eine Situation ist, in der Helden geboren werden.

Es könnte in der Tat sein, dass Putin genau das Gegenteil dessen erreicht, was er beabsichtigt hat. Die Welt zeigt und verhält sich solidarisch und dies könnte ein ganz neues Zeitalter der internationalen Beziehungen zur Folge haben. Doch ausgestanden ist die Situation damit noch lange nicht. Putin steht mit dem Rücken zur Wand und niemand kann sagen, ob er tatsächlich eine seiner inzwischen mehreren nuklearen Optionen zieht, wenn er merkt, dass er seinen Angriff auf den Weltfrieden verliert. Die Welt muss jetzt weiter zusammenstehen, gemeinsam agieren, darf weder Kosten noch Opfer scheuen, um dem „Hitler des 21. Jahrhunderts“ Einhalt zu gebieten. Was noch vor wenigen Tagen niemand für möglich gehalten hat, könnte Wirklichkeit werden – eine neue Weltkoalition für den Frieden, eine Grundlage, das Management dieser Welt anders und besser zu organisieren, gemeinsam gegen Krieg, Diktatur und den Klimawandel zu kämpfen. Aber es ist klar, dass niemand auch nur einen Gang herunterschalten darf, die Situation ist und bleibt ein Krieg, in dem Menschen auf beiden Seiten sterben und der das Potential hat, sich zu einer kontinentalen, wenn nicht sogar weltweiten Krise auszuweiten.

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