Obdachlose? Bei uns? Igittigitt…

In Paris findet gerade mal wieder eine "Französische Revolution" statt. Allerdings nicht für mehr soziale Gerechtigkeit, sondern das genaue Gegenteil.

HIER würden die Reichen des 16. Pariser Arrondissements am liebsten Obdachlose unterbringen. Foto: D/G www.pixelio.de

(KL) – Wer es bis ins vornehme 16. Arrondissement in Paris geschafft hat, der gehört zu den „Happy Few“. Den Reichen, Schönen und Erfolgreichen. Der Quadratmeterpreis im Edeldistrikt der französischen Hauptstadt ist so hoch, dass man nicht über ihn spricht. Wer hier wohnen will, der muss ohnehin so viel Kleingeld mitbringen, dass ihn so schnöde Dinge wie der Quadratmeterpreis nicht interessieren dürfen. Und jetzt hat die Stadtverwaltung tatsächlich die Unverschämtheit, direkt an den Rand des angrenzenden Bois de Boulogne eine Unterkunft für Obdachlose einrichten zu wollen! Obdachlose im Blickfeld des Geld- und anderen Adels? Klar, dass dies zur nächsten Französischen Revolution führt…

Das 16. Arrondissement, das ist eben wirklich nur für die Crème de la Crème reserviert. Hier trägt man gerne politisch unkorrekte Nerze um den Hals spazieren, hier kennt man die Adelstitel der Nachbarn, hier riecht es an jeder Straßenecke nach Geld, Macht und noch mehr Geld. Politisch ist dieses Arrondissement, kein Wunder, fest in der Hand der Konservativen. Und die machen jetzt mobil.

„Die Menschen hier stehen im Ruf, ihren Arsch nicht hoch zu bekommen und sich mit Kaviar vollzustopfen“, sagt der Bezirksbürgermeister und kündigt gleich an, dass dieses Bild falsch sei, da die Bewohner dieses Arrondissements nun bereit seien, zu kämpfen. Genau. Sie wollen kämpfen. Gegen Obdachlose. Frei nach dem Motto: „Eure Armut kotzt uns an!“. Wenn man so viel Geld hat, dann will man eben keine Armut sehen. Am Ende könnte es ja sogar seelische Belastungen durch neidische Blicke geben.

Und so kämpft nun das 16. Arrondissement gegen die sechs geplanten Notunterkünfte für Obdachlose, damit der altehrwürdige Bois de Boulogne nicht so etwas wie der „Jungle“ von Calais wird. Mit den Nutten, Drogendealern und Junkies, die nach Sonnenuntergang den Bois de Boulogne fest im Griff haben, arrangiert man sich gerne. Der eine oder andere Bewohner des Nobelviertels nimmt ja auch gerne gelegentlich die Dienste der einen und der anderen in Anspruch. Aber 200 Obdachlose, die am Ende sogar betteln könnten, das will man im 16. Arrondissement wirklich nicht haben.

Und so greift die Crème de la Crème der Hauptstadt zu Mitteln, die auch anderswo zur Anwendung kommen. Viele der Pelzträgerinnen im Viertel haben zum ersten Mal in ihrem betulichen Leben eine Petition unterschrieben, Demonstrationen (!) und Gerichtsverfahren gegen den Plan dieser Notunterkunft stehen auf der Agenda.

Und doch wird man sich im 16. Arrondissement auch an den Anblick von ein wenig Armut gewöhnen müssen. Das zumindest bestätigte Premierminister Valls, der darauf hinwies, dass sich von den fast 80 Notunterkünften der Hauptstadt keine einzige im 16. Arrondissement befindet. Was dann auch den Stimmanteil der Sozialisten in diesem Viertel auf unter 10 % drücken dürfte…

Am liebsten würde das 16. Arrondissement die europäische Vereinbarung mit der Türkei nachspielen – und alle Armen, Obdachlosen und Flüchtlinge, die eventuell dort Aufnahme finden könnten, sofort wieder in die angrenzenden Arrondissements zurückschicken. Sollte man dafür Geld bezahlen müssen, würden sich die Bewohner des Edelviertels sicher genau so verhalten wie die EU – und leichten Herzens zahlen, um nur das Elend dieser Welt nicht im eigenen Vorgarten sehen zu müssen.

Ob die Bewohner mit ihren Protesten durchkommen, ist unklar. Doch würde man sich schon ein wenig freuen, wenn es dann zu Begegnungen der 3. Art käme – zwischen Arm und Reich. Denn beide Seiten dürften dabei viel voneinander lernen können…

1 Kommentar zu Obdachlose? Bei uns? Igittigitt…

  1. Paris16….Tes yeux semblent toujours faire preuve d’autant de perspicacité…;-)NLF

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