Österreich ist überall…

Der extreme Rechtsruck bei den Präsidentschaftswahlen in Österreich kann jederzeit auch in anderen Ländern stattfinden. Das Zeitalter der Politik der „alten Schule“ scheint vorbei zu sein.

Rechtspopulist Norbert Hofer (Mitte) kann sich freuen - dank der Implosion des bürgerlichen Lagers haben die Rechtsextremen Rückenwind. Foto: Franz Johann Morgenbesser / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Schlechte Nachricht für alle Parteien des bürgerlichen Lagers, die immer noch von sich glauben, sie seien „Volksparteien“ und hätten einen wie immer gearteten Rückhalt in der Bevölkerung. Die Zeiten der einstmals großen Parteien, die es verpasst haben, sich rechtzeitig zu hinterfragen und auf eine durch die Technologische Revolution veränderte Gesellschaft einzustellen, sind vorbei. Doch der entrüstete Aufschrei angesichts des Wahlergebnisses aus Österreich ist nutzlos – denn das, was in Österreich passiert ist, kann jederzeit auch woanders passieren. Zum Beispiel bei uns oder auch bei unseren französischen Nachbarn. Schneller, als sich das mancher vorstellt.

Österreich hat am Sonntag nicht EIN politisches Erdbeben erlebt, sondern gleich DREI. Da ist als erstes der vor allem in der Höhe beunruhigende Wahlsieg des rechtsextremen Kandidaten Norbert Hofer von der FPÖ, der auf 35,3 % der Stimmen kam. Da ist zum anderen das überraschend gute Abschneiden des unabhängigen und von den Grünen unterstützten Alexander van der Bellen, der auf 21,3 % kam, ein Zeichen, dass der Weg auch für Kandidaten und Kandidatinnen offen steht, die nicht aus den klassischen Parteiapparaten kommen. Und drittens ist am Sonntag etwas passiert, was auch der Politik in anderen Ländern zu denken geben sollte – die Implosion des bürgerlichen Lagers.

11,2 % für Rudolf Hundstorfer (SPÖ), 10,9 % für Andreas Khol (ÖVP) – kaum zu glauben, dass beide Parteien zusammen bei den letzten Parlamentswahlen auf 51 % der Stimmen kamen und somit eine Koalition bilden konnten. Dieser Zusammenbruch der bürgerlichen Parteien ist bemerkenswert, allerdings kein Einzelfall. Überall in Europa drängeln sich neue Parteien, Bewegungen und Gruppierungen am Start, wobei die offenbaren Erfolge der Rechtsextremen auch darauf zurückzuführen sind, dass diese von allen „neuen“ Kräften am besten organisiert sind und daher als erstes die Lücke füllen, die durch die Implosion des bürgerlichen Lagers entsteht.

Die Zahlen erinnern durchaus auch an die letzten Landtagswahlen im März in Deutschland, aber auch an die Regionalwahlen im Dezember in Frankreich. Das bürgerliche Lager muss den Extremisten weichen, wobei es schwer fällt zu glauben, dass die Wählerinnen und Wähler in ganz Europa plötzlich ihre neonationalistischen und teilweise sogar neonazistischen Neigungen entdecken. Die Rechtsextremen stellen einfach momentan die sichtbarste Alternative zu einem Politikzirkus dar, der offenkundig ausgedient hat. Und solange die Parteien des bürgerlichen Lagers weiter ihre Augen verschließen und sich weigern, sich selbst kritisch-konstruktiv zu hinterfragen und ihre anachronistischen Apparate zu reformieren, solange wird ihr Absturz ins Bodenlose weitergehen.

Die Österreicher haben nun einen ganzen Monat Zeit, sich zu entscheiden, ob sie einen rechtsextremen und ultranationalistischen Kurs oder eine eher in Richtung der Zivilgesellschaft ausgerichtete Politik bevorzugen. Am 22. Mai findet die Stichwahl statt – ohne die Kandidaten des bürgerlichen Lagers. Und 2017 werden Frankreich und Deutschland vor einer ähnlichen Entscheidung stehen – Ausgang offen.

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