Ohne SOS Mediterranée stirbt auch Europa im Mittelmeer

Die NGO SOS Mediterranée erledigt im Mittelmeer den Job, den eigentlich die Europäische Union erledigen müsste – das Leben von Menschen zu retten, die vor Krieg, Bürgerkrieg, Hunger und Elend nach Europa flüchten.

Die EU würde diese Menschen lieber ertrinken lassen, als sie zu retten. Foto: Anthony Jean / SOS Méditerranée

(KL) – Wie wichtig die Arbeit von SOS Mediterranée im Mittelmeer ist, zeigen bereits die Zahlen. Seit Beginn des Einsatzes dieser NGO konnten die Teams nicht weniger als 31.616 Menschen vor dem Ertrinken retten. Bei der letzten Ausfahrt der „Ocean Viking“, die einige Tage technische Arbeiten am Schiff im Hafen von Marseille durchführen musste, rettete die Besatzung in nur 48 Stunden 274 Menschen vor der libyschen Küste. Währenddessen bereitet die EU ihren nächsten Einsatz vor eben dieser libyschen Küste vor – nicht etwa zum Retten von Menschen, sondern als „militärischen Einsatz“ zur Überwachung des Waffenembargos.

Seit Jahresbeginn hat die „Ocean Viking“ in 9 Einsatzfahrten 720 Menschen gerettet, die andernfalls ertrunken wären. Dass diese Einsatzfahrten überhaupt nötig sind, liegt einerseits an der völlig chaotischen Lage in Libyen, andererseits aber auch an der europäischen Unterstützung eines Regierungschefs, der gerade noch ein paar Viertel der Hauptstadt Tripolis kontrolliert. Dieser wird von der EU unterstützt, weil er das Kommando über die kriminellen Banden hat, die sich „Küstenwache“ nennen und die libysche Küste zum Jagdgebiet auf Flüchtlinge machen, die dann auf Sklavenmärkten verkauft werden, für die Lösegeld erpresst wird, die vergewaltigt, eingesperrt, gefoltert und getötet werden – was alles von verschiedenen Seiten längst überprüft und bestätigt wurde.

Bei den Einsätzen hält sich das Team auf der „Ocean Viking“ an alle internationalen Vorschriften, was man von den Behörden rings ums Mittelmeer nicht behaupten kann. Diese schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu und der bleibt am Ende bei den Rettungsteams, die ihre Operationen fast systematisch ohne Unterstützung der Behörden der Mittelmeer-Anrainer durchführen müssen. Für Nicolas Romaniuk, den Koordinator der Such- und Rettungsaktionen an Bord, handelt es sich um einen Rechtsverstoß. „Es ist inakzeptabel dass Menschen in Not auf hoher See alleine gelassen werden, auf völlig überladenen und ungeeigneten Booten, wo sie einem sicheren Tod entgegen sehen“. Doch das scheint weder die libyschen, noch die europäischen Behörden zu interessieren. Hauptsache, es kommen keine Flüchtlinge nach Europa, sollen sie doch im Meer ersaufen. Europäischer Zynismus statt europäischer Humanismus.

Rechtlich haben sich die Europäer bereits am 3. Februar 2017 abgesichert. Damals unterzeichneten die europäischen Staats- und Regierungschefs die „Erklärung von Malta“, mit der die Verantwortung für alles, was im zentralen Mittelmeer passiert, an die libysche Küstenwache übertragen wurde. Was dann auch erklärt, warum die Europäer diese Küstenwache unter dem Kommando einer nicht mehr existenten Regierung weiter finanzieren – um es deutlicher auszudrücken: Wir finanzieren ein höchst zweifelhaftes Regime mit seinen kriminellen Helfern, damit diese die „Drecksarbeit“ für uns machen. Doch damit finanzieren wir auch das, was diese kriminellen Banden mit den eingefangenen Flüchtlingen anstellen, sobald diese wieder an Land gebracht worden sind. Und damit wiederum, ob wir es wollen oder nicht, trägt Europa eine Mitverantwortung für die KZ-ähnlichen Einrichtungen, in denen diese Flüchtlinge malträtiert werden.

Die einzigen Male, bei denen die libysche Küstenwache mit den Rettungsteams kommuniziert (und dann plötzlich auch Englisch spricht),ist nach erfolgten Einsätzen. Dann werden nämlich die Rettungsteams aufgefordert, die an Bord genommenen Flüchtlinge nach Libyen zu bringen, was allerdings systematisch von den Rettungsteams abgelehnt wird, denn das internationale Seerecht besagt, dass an Bord genommene Schiffbrüchige an „einen sicheren Ort“ an Land gebracht werden müssen. Und die KZs der libyschen Küstenwache sind alles andere als „sichere Orte“.

Um es den NGOs noch ein wenig schwerer zu machen, hat die EU ihre Operation „Sophia“ eingestellt, in deren Rahmen die kreuzenden Kriegsschiffe immerhin noch Schiffbrüchige an Bord nahmen. Durch die Beendigung der Operation „Sophia“ entfällt für die NGOs auch die Seeüberwachung aus der Luft, das das Aufspüren von Nussschalten in Seenot ungleich schwerer macht.

SOS Mediterranée macht sich große Sorgen, dass die nun startende EU-Mission zur Überwachung des Waffenembargos nichts an der Lage ändert und es auch weiterhin keine Unterstützung mehr durch die militärische Luftaufklärung geben wird. Das Ergebnis dieser Situation ist klar – es werden, weit ab von den Augen der Öffentlichkeit, immer mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken.

Die Weigerung, Menschen in Seenot zu retten, stellt nicht nur ein völliges moralisches Versagen der Europäer dar, sondern auch einen Verstoß gegen das Seerecht. Mit Besorgnis registriert die NGO, dass die EU-Offiziellen inzwischen einen Diskurs an den Tag legen, der sich offen gegen Rettungsmaßnahmen ausspricht. Die Konsequenz ist für Nicolas Romaniuk völlig klar: „Die Rettungseinsätze der NGO sind jetzt wichtiger als je zuvor.“

Jeder und jede kann mithelfen, dieses Versagen unserer europäischen Institutionen etwas abzumildern. Die Rettungseinsätze der Schiffe von SOS Mediterranée kosten Geld und hier können Sie helfen. Spenden Sie, für die Einsätze, für Rettungswesten, für die medizinische und humanitäre Betreuung der Schiffbrüchigen im Mittelmeer. Wir bitten Sie höflich, auf DIESEN LINK zu klicken und sich an der Finanzierung der Rettung von Menschenleben zu beteiligen. Danke.

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