Opfern sich Frankreichs Konservative für Macron?
Die konservative Partei „Les Républicains“ (LR) wird das Zünglein an der Waage, wenn über die verschiedenen Mißtrauensanträge abgestimmt. So, wie es aussieht, werden sie sich für Macron opfern.
(KL) – Die Macron-Partei „Renaissance“ aka „La République en Marche“ hat keine Mehrheit im französischen Parlament. Rechnerisch wäre es also unproblematisch, die per Paragraph 49.3 durchgeboxte Rentenreform zu stoppen und gleichzeitig die Regierung zu stürzen. Doch offenbar ziehen es die Konservativen vor, den gleichen Weg zu gehen wie vor ihnen die Sozialistische Partei (PS), die heute nicht einmal mehr auf 2 % der Stimmen kommt. In der vagen und trügerischen Hoffnung, ihre Spitzen könnten ein kleines Stückchen vom Kuchen der Macht erhalten, wollen sich die LR-Abgeordneten bei den Mißtrauensvoten der Stimme enthalten, womit sie faktisch die Rentenreform absegnen und Ministerpräsidentin Elisabeth Borne im Amt halten. Woran man bei LR offenbar nicht denkt, ist dass die eigenen Abgeordneten irgendwann in ihren Wahlkreisen Rede und Antwort stehen müssen und dabei ganz alt aussehen werden. Von Wiederwahlen ganz zu schweigen.
„Les Républicains“ verspielen gerade eine historische Chance, was allerdings auch bedeutet, dass es vielleicht besser für Frankreich ist, wenn diese Partei jetzt auch in der Versenkung verschwinden wird. Denn die Franzosen wünschen sich heute eine starke politische Kraft im Zentrum des politischen Spektrums, nicht aber einen Blinddarm-Fortsatz der „Macronie“ – erste Umfragen zeigen, dass sich rund 70 % der Franzosen wünschen, dass die Regierung und die Rentenreform bei den Mißtrauensvoten gekippt werden. Doch offenbar steht LR der Macron-Partei näher, als sie das zugeben will und damit macht sie sich ebenso überflüssig wie zuvor die PS.
Diese Abstimmungen sind die wohl vorerst letzte Chance, mit der Frankreich den Macron’schen Irrweg verlassen könnte, und LR verspielt gerade diese Chance, mit der sie sich als die demokratische Kraft für die nächsten Jahre hätte positionieren können. Doch als „Erfüllungsgehilfe“ für Macron werden sich auch die Konservativen aus dem politischen Geschehen verabschieden müssen, denn LR wird gemeinsam mit der Macron-Partei untergehen. Statt gemeinsam mit den anderen Oppositions-Parteien im Sinne der Franzosen zu handeln, macht sich LR klein und unbedeutend und damit eben überflüssig. Dass LR die Machtgelüste einiger ihrer Chefs höher ansiedelt als das Interesse der Franzosen, das disqualifiziert LR für die künftigen Wahlen und die Franzosen werden nicht vergessen, wer ihnen das eingebrockt hat.
Man mag sich kaum vorstellen, was die LR-Abgeordneten empfinden werden, wenn sie sich irgendwann in ihren Wahlkreisen ihrer wütenden Wählerschaft stellen müssen. Denn anders als der französische Big Boss werden sie sich nicht wochenlang in ihrem Palast verstecken und den Dialog verweigern können.
Schon seltsam – im Moment, in dem sich LR als „Retter der Franzosen“ darstellen könnte, schlägt man sich lieber auf die Seite des wohl verhasstesten Präsidenten der V. Republik, der inzwischen auch im Ausland bereits als gescheitert betrachtet wird. Offenbar nützen weder Eliteschulen, noch teure Beratungsunternehmen, um französischen Politikern so etwas wie gesunden Menschenverstand einzuhauchen. Es sei denn, Parteien wie LR wollen gar nicht die französische Politik mitgestalten, vielleicht reicht es ihren Abgeordneten ja, dass sie satte Diäten bis zu den nächsten Wahlen kassieren. Doch die nächsten Wahlen dürften sowohl für die Macron-Partei, als auch für deren Erfüllungsgehilfen (Horizons, MoDem, LR etc.) ein Desaster werden – die Hoffnung dieser Parteien, dass ihre Landsleute völlig bescheuert und ohne Gedächtnis sind, wird sich getäuscht sehen.
Bis sich LR entscheidet (und das wird jetzt alles ziemlich schnell gehen), versinkt Frankreich weiter im Chaos. Die Staatsbahn SNCF streikt weiter, überall im Land finden unangemeldete Demonstrationen statt, die immer wütender und radikaler werden, in Paris stapeln sich inzwischen fast 10.000 Tonnen Abfälle, überall im Land werden Fabriken, Verkehrskreisel und Bahnhöfe besetzt und innerhalb von nur einem Tag sind auch die „Gelbwesten“ wieder in den Protesten aufgetaucht, was darauf hinweist, dass die nächsten Stufen der Auseinandersetzung zwischen Regierung und französischem Volk deutlich härter werden dürfte. Dass sich nun LR wahrscheinlich auf die Seite derjenigen schlägt, die für dieses Chaos verantwortlich sind, ist sehr seltsam, wenn man bedenkt, dass LR eine ganz andere Rolle an der Seite der Franzosen einnehmen könnte.
Und so arbeiten weiter alle mächtig daran, dass die nächste Präsidentin aus dem Le Pen-Clan stammen wird. Dass Frankreich zu Zeiten heftiger Weltkrisen eine solche formatlose Politiklandschaft hat, ist geradezu tragisch. Es sieht so aus, als sollte erst einmal alles noch deutlich schlimmer werden…
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