Oradour-sur-Glane darf nie vergessen werden
Gestern jährte sich, wieder einmal ohne große Aufmerksamkeit in Deutschland, das Massaker von Oradour-sur-Glane. Gerade heute sollte man sich erinnern.

(KL) – Wir leben in Zeiten, in denen Krieger wieder Helden werden, besonders, wenn sie bei ihrer Heldenwerdung den Heldentod sterben; wir leben in Zeiten, in denen Menschenleben plötzlich weniger zählen und menschliche Opfer zu Zahlen in Statistiken werden; wir leben in Zeiten, in denen Gewalt wieder ein „legitimes“ Mittel zum Erreichen seiner Ziele ist – und in diese Zeiten fällt, wie jedes Jahr, der 10. Juni. Wie auch am 10. Juni 1944.
Am 10. Juni 1944 marschierte eine Kompanie der SS-Panzerdivision „Das Reich“ in den kleinen Ort Oradour-sur-Glane ein, der weit entfernt von den großen Verkehrsadern beschaulich im westlichen Zentral-Frankreich liegt, 25 km von Limoges entfernt. Am Vortag hatte diese SS-Division, die bereits bei ihren vorherigen Einsätzen in Osteuropa brutalste Kriegsverbrechen begangen hatte, in der Stadt Tulle 99 Partisanen gehängt. Und nun rückte diese Kompanie an einem schwülwarmen Frühsommer-Nachmittag in Oradour-sur-Glane ein, trieb Frauen und Kinder in der Kirche zusammen, doch als die Versuche, die Kirche zu sprengen, mißlangen, zündeten die SS-Schergen die Kirche an – die dort befindlichen Frauen und Kinder kamen in den Flammen um. Die Männer wurden erschossen. Wahllos.
643 Menschen fielen dem SS-Blutrausch zum Opfer und all diejenigen, die heute wieder nach „mehr Krieg“ rufen, sollten sich am Beispiel Oradour-sur-Glane daran erinnern, was Krieg wirklich ist. Krieg ist nicht heldenhaft, sondern der Krieg verwandelt normale Menschen in Monster. Der Bäcker aus dem Nachbardorf wird zum sadistischen Mörder, der Standesbeamte aus der Stadt verwandelt sich in einen Vergewaltiger, der Verkäufer aus dem Laden organisiert das massenhafte Töten. Krieg hat nichts Heldenhaftes, sondern ist ein grausames Töten und Sterben. Der Satz „Homo hominem lupus est“ erfährt die ganze Tiefe seiner Bedeutung im Krieg.
Ein großer Teil des kleinen Orts ist genau so erhalten worden, wie er am Abend des 10. Juni 1944 aussah. Eine stumme Anklage, gegen die Barbaren dieser SS-Division, aber auch gegen den Krieg. Ein Zeugnis dessen, was Krieg anrichtet. Das sollte jeder sehen, der heute mehr Krieg, mehr Aufrüstung, mehr Soldaten und eine „Kriegswirtschaft“ fordert. Hört das Entsetzen der Menschen von Oradour-sur-Glane, diesem Ort, der symbolhaft für alle Orte steht, an denen Menschen anderen Menschen das Schlimmste angetan haben! Fragt diese Menschen, ob Krieg wirklich eine Lösung sein kann!
Niemand sollte Oradour-sur-Glane vergessen, diesen Ort, an dem sichtbar wurde und immer noch sichtbar ist, was Krieg aus Menschen machen kann. Keine Helden, sondern barbarische Mörder. Gerade wir in Deutschland sollten dieses Gedenken pflegen, denn wenn Orte wie Oradour-sur-Glane in Vergessenheit geraten, dann kündigen sich schon die nächsten Orte an, die ebenso zu Orten des Martyriums werden. Mögen die Opfer von Oradour-sur-Glane in Frieden ruhen.
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