Oradour-sur-Glane

Das Gedenkzentrum für Nazi-Kriegsverbrechen in Oradour-sur-Glane wurde am letzten Freitag mit revisionistischen Tags beschmiert. Ein Schlag ins Gesicht für ganz Frankreich.

Die Zeit ist am 10. Juni 1944 in Oradour-sur-Glane stehen geblieben. Wir dürfen dieses Verbrechen nie vergessen. Foto: TwoWings, slight edit by Calibas / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es gibt Ortsnamen, die wir Deutschen am liebsten vergessen würden. Auschwitz, Marzabotto, Distomo, Theresienstadt, Oradour-sur-Glane und viele andere. Doch müssen wir, die nachfolgenden Generationen, diese Namen aushalten, wir müssen sie ehren, wir müssen und vor ihnen verneigen und wir müssen dafür sorgen, dass sie niemals vergessen werden. Den Neonazis, die am Freitag das Gedenkzentrum für Nazikriegsverbrechen vor den Toren von Oradour-sur-Glane mit revisionistischen Tags beschmiert haben, werden wir nicht die Genugtuung bereiten, uns lediglich zu empören. Nutzen wir die Gelegenheit, uns gemeinsam an das schlimmste Kriegsverbrechen der Nazis zu erinnern, dass diese während des II. Weltkriegs an der französischen Zivilbevölkerung verübt haben.

Vermutlich wissen Sie nicht, wo Oradour-sur-Glane liegt. Das Dorf liegt im Herzen Frankreichs, in der Nähe von Angoulême im Limousin. Am 10. Juni 1944 verübte dort eine Abteilung der SS-Panzerdivision „Das Reich“ ein Massaker, das aufzeigt, wozu Menschen fähig sind, wenn man ihren niedrigsten Instinkten freien Lauf lässt. Nachdem diese Todestruppe am Vortag im Städtchen Tulle 90 Widerstandskämpfer gehängt hatte, sollte der Folgetag das Schlimmste mit sich führen, was Menschen anderen Menschen antun können.

Die Soldaten drangen in das Dorf Oradour-sur-Glane ein, Wenige Stunden später waren 642 Zivilisten tot, umgebracht auf barbarische Weise. Die Männer wurden zusammengetrieben und von Maschinengewehrsalven getötet, mehr als 200 Frauen und Kinder wurden in der Kirche eingeschlossen, die dann in Brand gesteckt wurde – niemand entkam dem Flammeninferno. Der deutsche Horror hatte ein ganzes Dorf und seine Bewohner und Bewohnerinnen ausgelöscht.

Dieses Massaker gehört zu den Kriegsverbrechen der Nazis, die ganze Generationen geprägt haben, nur nicht in Deutschland. Doch ist es an uns, die Erinnerung an dieses unsägliche Verbrechen aufrecht zu erhalten und zu verstehen, dass Faschismus und blinder Hass in letzter Konsequenz zu solchen Gräueltaten führen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem Neonazis, Antisemiten, Identitäre, Fremdenhasser und andere Ultrarechte die kranken Ideologien der Nazis wieder aufleben lassen, müssen wir von Oradour-sur-Glane sprechen. Wir müssen davon sprechen, dass vor 76 Jahren Deutsche in der Lage waren, jede Grundregel einer zivilisierten Gesellschaft auszusetzen und wie Wölfe durch Europa zu ziehen, um dort Tod, Entsetzen und die Negierung des Lebens zu verbreiten. Das waren, symbolisch gesagt, unsere Großväter und Väter, die diese Verbrechen begangen haben. Und unsere Aufgabe ist es heute dafür zu sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert.

Doch seien wir ehrlich, das Verbrechen von Oradour-sur-Glane, in verschiedenen Formen, existiert immer noch. Täglich werden auf der Welt unschuldige Menschen getötet, täglich hetzen zahlreiche politische Führer und stacheln ihre Bevölkerungen zum Hass auf die Anderen an.

Es ist unsere Aufgabe, den Rechtsextremen, Neonazis und Kriegstreibern in den Arm zu fallen und zu verhindern, dass diese erneut eine Situation schaffen können, in denen weitere Oradour-sur-Glanes möglich werden.

Nennen wir die Dinge beim Namen – keine einzige Stimme für rechtsextreme und von neonazistischem Gedankengut unterwanderte Parteien. In den Reihen der AfD tummeln sich Politiker wie Björn Höcke, der sich selbst als „Faschist“ bezeichnet, im französischen „Rassemblement National“ (das die Neuetikettierung des „Front National“ ist) behauptete Parteigründer Jean-Marie Le Pen, dass die Gaskammern nur ein „Detail der Geschichte“ waren und in anderen Ländern haben neonazistische Gruppierungen ebenfalls Hochkonjunktur.

Die Bestie ist 1945 nicht ausgerottet worden, sie existiert immer noch. Und sie muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Hoffen wir, dass die Urheber dieser Tags ermittelt werden (anders als bei den zahllosen Schändungen jüdischer Friedhöfe in Frankreich) und dass diese Kriminellen exemplarisch bestraft werden.

Oradour-sur-Glane darf niemals vergessen werden und uns Deutschen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wir sind es, die dieses Gedächtnis aktiv weitertragen müssen, die darüber sprechen müssen, die dafür sorgen müssen, dass nie wieder ein solches Verbrechen geschehen kann.

Oradour-sur-Glane.

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