„Oxi“ zum Europa der Banken! „Nai“ zum Europa der Menschen!

Mit großer Mehrheit haben die Griechen das entwürdigende und wenig zielführende „Sparpaket“ der „Geldgeber“ abgelehnt. Mit einem Ergebnis, das man aufmerksam hören und richtig interpretieren sollte.

Fast zwei Drittel der Stimmen in dieser Urne hatten ein Kreuzchen bei "Oxi" (Nein) stehen - eine herbe Niederlage für die europäische Finanzaristokratie. Foto: Rogi.Official / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Nein, die Griechen sind nicht „sehenden Auges an die Wand gefahren“, wie verschiedene große deutsche Medien bereits am Sonntagabend titelten. Und nein, die Griechen haben sich nicht etwa gegen Europa und den Euro entscheiden, wie manch verbohrter und den Finanzmärkten höriger Mitmensch vielleicht meint. Die Griechen haben sich gegen eine unmenschliche Politik und gegen einen EU-Staatsstreich in Griechenland gewehrt und das verdient Solidarität und Anerkennung.

Da mögen am heutigen Montagmorgen die Märkte noch so verschnupft reagieren, da mögen die Dijsselbloems, Schäubles und Lagardes noch so geifern, die Griechen haben gesprochen. Mit 61,6 % der Stimmen haben die Griechen ein Maßnahmenpaket abgelehnt, mit dem das Land für immer im sozialen Elend versunken wäre und das die Verarmung des griechischen Volks zementiert hätte. Denn das, was EU, IWF und EZB den Griechen vorgeschlagen hatten, war eine Erpressung der linken Syriza-Regierung, mit der diese gezwungen werden sollte, unsoziale Maßnahmen durchzusetzen, um letztlich ihren Halt in ihrer Wählerschaft zu verlieren und dann gestürzt zu werden. Doch die EU hat wieder einmal völlig versagt und sich in einem Anfall gnadenloser Selbstüberschätzung darauf verlassen, dass es ausreichen würde, die Syriza-Regierung als einen Haufen Halbstarker zu diskriminieren und das griechische Volk gegen diese Regierung aufzuhetzen. Fehlgeschlagen!

Zwar gingen die Marionetten der Finanzmärkte so weit, ihr „Angebot“ zurückzuziehen, als Alexis Tsipras es wagte, sein Volk demokratisch über diese Maßnahmen abstimmen zu lassen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – die EU straft ein Mitgliedsland ab, weil dieses die Unverschämtheit hat, seine Bevölkerung demokratisch über seine Zukunft entscheiden zu lassen! Doch selbst diese Maßnahme zog bei den Griechen nicht. Wie gut, dass die EU nicht auf die Idee kam, die Griechen mit Waffengewalt vom „Königsweg“ der Troika zu überzeugen…

Und jetzt müssen sich EU, IWF und EZB dann eben doch wieder mit der ungeliebten Syriza-Regierung an den Tisch setzen, denn der überall vollmundig angekündigte „Grexit“ wird nicht stattfinden. Sehr zum Leidwesen der Verwalter des Elends in Brüssel und Frankfurt sehen die Verträge nämlich keinen Ausschluss eines Euro-Lands vor und Griechenland will definitiv im Euro bleiben. Da hat alles Drohen nichts genutzt, die Griechen haben uns eine Botschaft gesandt – nämlich die, dass es höchste Zeit ist, auf ein neues Europa zu setzen.

Das Europa alter Männer und Frauen im Sold der Großfinanz wird sich noch lange an den 5. Juli 2015 erinnern – denn das griechische Votum läutet die Götterdämmerung der korrupten EU-Finanzpolitik ein. Die Griechen, die unter Verarmung, Arbeitslosigkeit und Mangel an Perspektiven leiden, haben es abgelehnt, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Energie zu akzeptieren, einzig und alleine, damit die großen Finanzstrukturen pünktlich ihre Spekulationsgewinne ausgezahlt bekommen. Denn bei den in Aussicht gestellten „Hilfen“ ging es nicht etwa um dringend benötigte Investitionen, mit denen die griechische Wirtschaft hätte belebt werden können, sondern um Gelder, die sofort wieder an die Banken geflossen wären. Und diesem Kreislauf will die Syriza einen Riegel vorschieben. Was im Übrigen keine ganz neue Idee ist. Am Abend seiner Wahl hatte der französische Präsident Hollande ähnliches angekündigt, damals, als die Sozialisten in Frankreich noch eine linke Partei waren, doch die guten Absichten waren schnell vergessen. Nicht aber in Griechenland!

Ab sofort müssen die Verhandlungen wieder laufen und auch, wenn es den EU-Spitzenkräften gegen den Strich geht, sich mit Leuten wie Varoufakis und Tsipras an einen Tisch zu setzen, so sollten sie verstehen, dass es denen ebenso zuwider ist, mit politischen Auslaufmodellen zu verhandeln, die sich krampfhaft an der Welt von vorgestern festklammern, statt endlich einzusehen, dass sich die Welt geändert hat und man sich darauf einstellen muss.

Wir alle sollten die Mitteilung der Griechen an Europa hören – „Oxi – Ja zu Europe“, „Nai – Nein zum Europa der Finanzmärkte“! Ab sofort kann es nur noch eine Richtung geben – ein wirtschaftlicher Aufbau Griechenlands, der nicht die Gewinnmaximierung der Finanzmärkte zum Ziel hat, sondern eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Jetzt ist Solidarität gefragt, ein Schuldenschnitt und ein Neuanfang. Die Syriza und Tsipras müssen ihren Teil zu einem solchen Neuanfang beitragen – zum Beispiel durch die konsequente Besteuerung der großen Vermögen, durch den Abbau von Bürokratie und Korruption – und Europa, der IWF und die EZB müssen diesen Prozess unterstützen. Wer weiß, vielleicht werden wir alle in ein paar Jahren den 5. Juli als europäischen Feiertag begehen – als den Tag, an dem das „Europa der Finanzmärkte“ vom „Europa der Menschen“abgelöst wurde.

Nicht Alexis Tsipras muss heute über einen Rücktritt nachdenken, sondern diejenigen, die versucht haben, in Griechenland eine Art Staatsstreich zu organisieren – Juncker, Schäuble, Dijsselbloem und die anderen haben ausgedient, ihre Vision Europas ist ein Auslaufmodell und diese Herren sollten sich überlegen, ob sie nicht lieber künftig gemeinsam mit Frau Lagarde Domino spielen wollen, statt weiter der Modernisierung Europas im Weg zu stehen.

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