Pariser G’schichten

Natürlich ist der französische Präsident von Leibwächtern umgeben. Auch von solchen, die er besser nicht eingestellt hätte. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Alexandre Benalla hat gerade einen heftigen Karriereknick erlebt. Aus seinen Appartements in einer Dependance des Elysee-Palastes musste er kurzfristig in eine Gewahrsamszelle der Polizei umziehen, bevor sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit ihm beschäftigen wird. Eine höchst seltsame Geschichte.

Am 1. Mai wird in Paris, ähnlich wie in Berlin, massiv demonstriert. Das hat Tradition, ebenso wie die Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und den Ordnungskräften. Diese Konfrontationen sind meistens ziemlich gewalttätig, es gibt jedes Jahr zahlreiche Verletzte. Doch ganz besonders schwierig wird es, wenn sich ein Leibwächter des Präsidenten als Polizist ausgibt und sich unter die Einsatzkräfte mischt, um an Demonstranten sein Mütchen zu kühlen. Genau das tat Alexandre Benalla, trotz seines jungen Alters von 25 Jahren bis vor wenigen Tagen einer der führenden Sicherheitsbeamten des unmittelbaren Umfelds des Präsidenten. Blöd für ihn, dass er bei seinen sinnlosen Prügelattacken gegen Demonstranten (und sogar gegen unbeteiligte Passanten!) von verschiedenen Personen per Smartphone gefilmt und eindeutig identifiziert wurde.

Das, was dort passierte, ist einerseits Amtsanmaßung, das der präsidiale Leibwächter kein Polizist ist und andererseits Körperverletzung. Im Grunde eine sehr persönliche Geschichte und Verfehlung, die es nicht einmal zu einem Skandal gebracht hätte, wenn der Elysee-Palast nicht versucht hätte, die Angelegenheit auszusitzen. Natürlich ist es kein Zufall, dass diese Geschichte jetzt, also fast zwei Monate nach den Zwischenfällen, in die Öffentlichkeit gespült wird. Doch das ändert nichts daran, dass Emmanuel Macron bis zum letzten Moment versuchte, seine schützende Hand über seinen Leibwächter zu halten – das ist der eigentliche Skandal.

Hätte der Elysee-Palast sofort reagiert und den prügelnden Leibwächter entlassen, hätte es die Angelegenheit nicht einmal auf die Titelseiten der Zeitungen geschafft, doch so hat sie sich zu einem handfesten Skandal ausgeweitet. Dass ein Leibwächter, der mal eben ein paar Demonstranten verdreschen geht, nicht haltbar ist, steht außer Frage. Sollte man meinen. Doch das war nicht die Ansicht des Präsidenten, der offenbar sogar vorhatte, Benalla auf dem Weg einer Beförderung auf einen anderen Posten wegzuloben, bis der Druck zu groß wurde.

Das Verständnis, dass dem Präsidenten und seiner Entourage einfach alles erlaubt ist, zeigt die neofeodale Stimmung, die in Frankreich herrscht. Präsident Macron benimmt sich immer mehr wie ein Regent und immer weniger als Präsident. Er alleine herrscht über Frankreich, selbst sein blasser Premierminister Edouard Philippe ist nicht viel mehr als ein Strohmann, die Politik wird in Frankreich von einem einzigen Mann gemanagt – Macron. Unwillkürlich denkt man an Russland, Wladimir Putin und seine Marionette Dimitri Medvedev…

Der weitere Gang der Dinge ist vorgezeichnet. Alexandre Benalla wird sich vor Gerichte wegen Körperverletzung und Amtsanmaßung verantworten müssen und seine Karriere als präsidialer Leibwächter ist vorbei. Doch an anderer Stelle entsteht viel größerer Schaden: Die Kluft zwischen der Regierung in Paris und dem französischen Volk wird immer grösser. Und das ist schlecht, denn sollte Macron mit seinen Plänen scheitern, dürften die nächsten Wahlen, wie in anderen Ländern, an die Rechtsextremen gehen, die bereits in ihren Startblöcken sitzen. Doch statt sich seinem Volk zu nähern, entrückt Emmanuel „Jupiter“ Macron in immer weiter entfernte Sphären. Nach seinem ersten Amtsjahr steht Macron bereits unter Druck – die Zeit der wohlfeilen Kommunikation ist vorbei, langsam muss er liefern. Und zwar mehr als die Pariser G’schichten…

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