Pause für die Linie D

Die Straßburger Verkehrsbetriebe CTS kündigen auf ihrer Website an, dass ab heute, Montag, die Tram „wahrscheinlich“ nicht mehr bis Kehl fährt. Terminus „Port du Rhin“. Ein Symbol.

Hübsch, die deutschen und französischen Farben. Schade, dass die Linie D vorerst nicht mehr nach Kehl fährt, "wahrscheinlich", wie die CTS mitteilt. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Heute beginnt die „teilweise Schließung“ der deutsch-französischen Grenze (die keiner der Verantwortlichen als „Schließung“ verstanden wissen will, sondern eben eher als „teilweise Schließung“, was ja etwas ganz anderes ist…). Es dürfen nur noch Berufspendler und Liefer-LKWs die Grenze passieren. Die nächste Eskalationsstufe der Coronakrise. Mitten in einem grenzübergreifenden Risikogebiet – im Grand Est und in Baden-Württemberg gibt es Hunderte von Infizierten und die Zahlen steigen exponentiell.

Kein Wunder, dass sich auch die Frage der Tramlinie D stellt, die zwischen Straßburg und Kehl verkehrt. Diese Linie ist die „Einkaufslinie“ der Straßburger, die entweder am Bahnhof aussteigen und die Tabakläden stürmen, oder die bis zur Haltestelle „Hochschule / Läger“ fahren, von wo aus man in wenigen Schritten die großen Discounter Kehls erreicht, oder die bis zur Endhaltestelle „Rathaus“ sitzen bleiben, wo die Fußgängerzone auf der anderen Straßenseite beginnt. Und umgekehrt fahren viele Kehler bequem in die Innenstadt der Elsass-Metropole, gehen shoppen, ins Theater, in die Oper, zur SIG oder zu Racing – kurz, die Linie D gehört zu den festen Elementen einer grenzüberschreitenden Einheit. Nur – ab heute fährt sie „wahrscheinlich“ („probablement“) nicht mehr nach Kehl. Und folglich auch nicht von Kehl nach Straßburg. Irgendwie klar, dass man nicht einerseits die Straßen sperren, gleichzeitig aber die Tram durchlassen kann.

Die Art, wie diese Information verbreitet wird, darf man getrost als „diskret“ bezeichnen. Wer die deutsche Internet-Site der Straßburger Verkehrsbetriebe CTS anklickt, erfährt nur, dass immer noch Streikdrohungen in der Schwebe sind. Man muss schon die französische Version anklicken und erfährt dort und nur auf Französisch, dass „aufgrund der Ankündigung der deutschen Behörden die Grenze zu schließen, die Tram Linie D wahrscheinlich nur bis zur Endhaltestelle „Port du Rhin“ fährt“.   Ansonsten wird ab sofort immer am Vorabend auf dieser Site mitgeteilt, wie der Fahrplan für den Folgetag aussieht. Denn in einer Stadt, in der alles geschlossen ist (und die eigentlich stündlich mit der Verhängung einer allgemeinen Ausgangssperre rechnet), braucht auch kaum jemand öffentliche Verkehrsmittel. Und die Tramlinie D braucht eigentlich auch kaum jemand, denn es darf ja niemand zum Einkaufen ‘rüber. Einkaufen ist kein „wichtiger Grund“.

Natürlich muss man in der aktuellen Situation Verständnis für alle Maßnahmen haben, mehr noch, die Einhaltung der Maßnahmen ist eine Solidarpflicht, aber es ist trotzdem schade zu sehen, wie in so kurzer Zeit die Fäden, die zwischen dem französischen und dem deutschen Ufer geknüpft worden sind, wieder aufgelöst werden. Plötzlich bekommt das Wort „Grenze“ wieder eine längst verlorene Bedeutung, in einer Region, in der bei praktisch jedem Treffen der Verantwortlichen jemand stolz das Wort „rheinübergreifend“ verwendet, denn „grenzübergreifend kann man nicht mehr sagen, es gibt ja keine Grenze mehr“. Nun, es gibt sie wieder, die Grenze.

Zwischen Ländern ist es wie in einer Beziehung – die Qualität der Verbindung zeigt sich in Krisensituationen. Und da scheint das deutsch-französische Verhältnis momentan nicht viel auszuhalten. Beide Seiten verstehen nicht so richtig, was die jeweils andere tut, möchte oder vorhat und man spricht nicht (genug) miteinander. Dabei müsste gerade jetzt, in einer Phase einer Krise, die niemand von uns je erlebt hat, alles miteinander statt gegeneinander gemanagt werden. Hoffen wir, dass dieser Albtraum bald vorbei ist und wir uns daran machen müssen, ziemlich viele Dinge zu überdenken und neu zu organisieren. Das hätten wir nämlich schon längst tun sollen.

1 Kommentar zu Pause für die Linie D

  1. PETER CLEIß // 16. März 2020 um 9:48 // Antworten

    Der aktuellen Logik folgend müsste auch die „Grenze“ zwischen Bayern und Baden-Württemberg geschlossen werden, denn Bayern ist nun mal ebenfalls ein Hochrisikogebiet. Dass dies nicht geschieht und wohl auch nicht in Betracht gezogen wird, zeigt, dass manche einstige Grenzen verschwunden sind und andere nicht.

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