Peter Cleiss zum neuen Jahr: Tram-Liebe und andere Rheinansichten

Peter Cleiss ist Direktor der Beruflichen Schulen Kehl und stark in den sportlichen Beziehungen zwischen dem Elsass und Baden engagiert.

Als der Rhein noch wild und ursprünglich war, gab es mehr rheinüberschreitende Hochzeiten als heute... das sollte man wieder ändern... Foto: Böhringer Friedrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(Von Peter Cleiss) – Im Dezember 2013 votierten die Gremien in Strassburg und Kehl für den Bau der Tramlinie D über den Rhein hinweg nach Kehl. Im Februar 2014 erfolgte der symbolische Baubeginn. Seither wird zwischen Europabrücke und Bahnbrücke gebaut – für die einen an einer Verkehrsverbindung, für andere am Zusammenwachsen von Siedlungsräumen – für wieder andere am Frieden in der Welt.

Ein weiter Blick zurück in die Vergangenheit lehrt so manches für Gegenwart und Zukunft. Zum Beispiel: In früheren Zeiten mäanderte der noch unbegradigte Rhein durch die Landschaft, gespickt mit zahlreichen Inseln, die leicht von beiden Seiten zugänglich waren. Jeden Sommer bevölkerten junge Menschen beiderseits des Rheins diese Inseln in ihrem Wunsch, sich dem ständigen Blick der Erwachsenen zu entziehen. Die Folge dieser Begegnungen sind aktenkundig: Die Liebe überwand den Rhein, zahlreiche „grenzüberschreitende“ Hochzeiten wurden geschlossen.

Dann kam Tulla und begradigte den Rhein, viele Inseln verschwanden, andere waren fortan nur noch von einer Rheinseite zugänglich. Begegnungen blieben aus, grenzüberschreitende Hochzeiten wurden weniger und weniger. Tulla hatte mit dem Rhein gleich noch die Liebe mit begradigt.

Brücken können ein wenig wie Inseln sein, sie können Menschen Begegnungen leicht machen, sie können einem in Nord-Süd-Richtung angelegten Leben im Oberrheintal die zweite Dimension geben, die Ost-West-Richtung. Brücken können unser Leben am Rhein wieder „rund“ machen. Jede einzelne Brücke ist Teil dieses sehr viel größeren Projektes: Unser Leben am Oberrhein wieder rund machen!

Der Baubeginn der Tram-Brücke zwischen Kehl und Strassburg wird im Rückblick einmal als weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine gute Zukunft gefeiert werden – das ist meine Überzeugung.

Das beginnende Jahr 2015 muss diesen Impuls aufgreifen und weiterführen. Menschen, die sich begegnen, brauchen eine gemeinsame Sprache!

Lange hatten wir beiderseits des Rheins einen gemeinsamen Dialekt – er verschwindet in Kehl wie in Strassburg, in Baden wie im Elsass. Deshalb: Lasst uns Sprachen sprechen, die jeder versteht, lasst uns gemeinsam Musik machen und Sport treiben – und so ganz nebenbei deutsch und französisch lernen.

Und irgendwann werden wir uns wieder lieben und heiraten und Tullas Werk auf die Rheinbegradigung begrenzen!

Das, liebe Eurojournalistinnen und Eurojournalisten, wünsche ich uns und unseren Kindern. Erste Schritte in diese Richtung können wir alle schon im neuen Jahr 2015 gehen. In diesem Sinne: alles Gute zum Neuen Jahr!

Euer Peter Cleiss

1 Kommentar zu Peter Cleiss zum neuen Jahr: Tram-Liebe und andere Rheinansichten

  1. Sehr inspirierendes Grußwort bzw. Rückblick Herr Cleiss. Ich kann Ihnen da nur zustimmen und nun auch eine Schule aus Kehl besser namentlich verorten!

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