Philippe Richert wirft das Handtuch

Der Präsident der ostfranzösischen Großregion „Grand Est“ hat am Samstag seinen Rücktritt erklärt. Seit 2013 war er permanente Zielscheibe von Angriffen.

Müde von zu vielen Angriffen unter der Gürtellinie - Philippe Richert ist zurückgetreten. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es war im April 2013 – die Elsässer hatten die Chance, in einer Volksabstimmung darüber zu entscheiden, ob die Generalräte der beiden elsässischen Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin zusammengelegt werden sollen, was zur Folge gehabt hätte, dass das Elsass eine geeinte, starke Region geworden wäre. Philippe Richert, damals Präsident der Region Elsass, hatte alles in die Waagschale geworfen, um diesen historischen Schritt zu lancieren. Doch die Volksabstimmung scheiterte, da sie von genau denen sabotiert wurde, die sich heute lautstark darüber beklagen, dass es verwaltungstechnisch diese Region Elsass nicht mehr gibt. Seit diesem Referendum stand Richert im Fadenkreuz der Kritik. Dass er jetzt, von den ständigen Angriffen auf seine Person entnervt, das Handtuch wirft, ist schade, denn der Mann hat sich große Verdienste für die Region erworben.

150 000 Stunden als Abgeordneter in zahllosen Funktionen, Millionen von Bahn- und Autobahnkilometern, Jahrzehnte des Dienstes am Elsass – der Abgang von Philippe Richert ist im Grunde eine Schande. Dass ihm die Elsässer Autonomisten „Verrat“ am Elsass vorwerfen, ihn als „Henker des Elsass“ beschimpft haben, ist ebenso dämlich wie unzutreffend. Denn die französische Gebietsreform, in deren Rahmen aus 22 kleinen Regionen 13 Großregionen wurden, war nicht das Projekt von Philippe Richert, sondern das Projekt der sozialistischen Regierung von François Hollande – Richert setzte alles daran, diese von Paris sehr undemokratisch diktierte Reform so umzusetzen, dass sich daraus positive Effekte für die gesamte Region und natürlich für das Elsass ergeben.

Die Bilanz, die Richert am Samstag bei seiner Pressekonferenz im Haus der Region in Straßburg zog, war erstaunlich positiv – in den zwei Jahren der Existenz dieser neuen Großregion sind zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht worden, die alle in die gleiche Richtung deuten: Dezentralisierung des französischen Staats, Verbesserung der Lebensqualität der Menschen und mittel- bis langfristig Einsparungen in den Haushalten. Das Hauptproblem, und Richert sprach es am Samstag deutlich an, war die identitäre Blickweise der Elsässer Autonomisten, denen man es vermutlich nur dann Recht machen könnte, wenn man ein Referendum nach dem Vorbild Kataloniens organisieren würde. „Die Elsässische Identität gab es lange vor der Region Elsass“, sagte Richert am Samstag in Richtung der Autonomisten und damit hat er natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen.

Der Politiker Philippe Richert war ein Mann des Ausgleichs, der weder die Abstimmung mit dem politischen Gegner scheute, noch versäumte, klar Stellung gegen Extremisten zu beziehen. Im Dezember 2015 war er es, der den Durchbruch des Front National bei den Regionalwahlen stoppte, nachdem dieser nach dem ersten Wahlgang vorne lag und kurz vor der Machtergreifung im Elsass stand. Richert war es, der gegenüber Nicolas Sarkozy durchsetzte, dass die eigentlich in Ostfrankreich als Kandidatin vorgesehene Ausländerhasserin Nadine Morano als Spitzenkandidatin der Konservativen abgesetzt wurde und dass er nach einer mutigen Kampagne den Kandidaten des FN Florian Philippot noch abfangen konnte, hat das Elsass davor gerettet, in die Hände der Rechtsextremen zu fallen.

Es wäre müssig, die Verdienste des Politikers Philippe Richert in den Jahrzehnten seines Wirkens aufzuzählen, sie sind zahlreich. Und dazu, auch das sollte erwähnt werden, ist Philippe Richert ein feiner Kerl, der sich nie zu schade war, den direkten Kontakt mit den Menschen zu suchen und zu pflegen. Alles Gute für die Zukunft als Privatmann, Philippe Richert – viele Elsässer werden erst in einiger Zeit verstehen, wie wichtig Sie für das Elsass waren!

1 Kommentar zu Philippe Richert wirft das Handtuch

  1. Kai,
    Je souscris totalement à ton excellente analyse de la démission de Philippe Richert et de ses conséquences.

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