Plan B ist Plan A

Theresa May hat völlig die Bodenhaftung verloren. So trotzte sie dem Votum des Unterhauses, das sie verdonnert hatte, nach der Ablehnung ihres Brexit-Plans innerhalb von 3 Tagen einen „Plan B“ vorzustellen. Es gibt nämlich keinen.

Wie lange werden die Briten wohl zuschauen, wie Theresa May sie an die Wand fährt? Foto: Matt Brown from London, England / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Alle Beobachter des Brexit rätselten bis gestern, wie wohl der „Plan B“ aussehen würde, den die britische Premierministerin gestern vor dem Parlament vorstellen musste. Die Antwort war einfacher als gedacht – Theresa May setzte sich über das Parlament hinweg und präsentierte – genau den gleichen Plan wie bereits in der letzten Woche. „Plan B“ ist also „Plan A“ und „Plan A“ ist bereits mit Pauken und Trompeten im Unterhaus durchgefallen. Was nun, Theresa May?

Der „Brexit“ entwickelt sich immer mehr zum politischen Amoklauf der Theresa May. Trotzig alle Umfragen ignorierend, die inzwischen übereinstimmend besagen, dass heute, wo die Briten die Konsequenzen eines „Brexit“ kennen, sie ihn gar nicht mehr wollen. Statt dies zur Kenntnis zu nehmen, klammert sich die inzwischen völlig überspannte Theresa May an ihrer Position „Brexit means Brexit“ fest und schwadroniert davon, dass alles andere ein Anschlag auf die Demokratie wäre.

Wie sehr sie die demokratischen Spielregeln respektiert, zeigte sich am Montag. In der Vorwoche war sie vom Unterhaus dazu verpflichtet worden, im Falle einer Ablehnung ihres „Brexit“-Plans innerhalb von drei Tagen einen Alternativplan vorzulegen. Den Termin hielt sie ein, nur das, was sie vor dem Unterhaus vorstellte, war genau der Plan, der bereits vom britischen Parlament abgelehnt worden war. Zusammen mit der Ankündigung, dass man jetzt eben die kritischen Punkte des Ausstiegsvertrags in Brüssel nachverhandeln werde. Was aus Brüssel prompt dementiert wurde.

Theresa May versucht gerade, alle an der Nase herumzuführen. Die gaukelt den britischen Abgeordneten vor, dass es noch Verhandlungsspielraum in der zentralen Frage des „Backstop“, also einer Übergangsregelung, die verhindern soll, dass im Falle des „harten Brexit“ eine EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland (EU-Mitgliedsstaat) und Nord-Irland (zu Großbritannien gehörig) eingezogen werden muss, was den seit 30 Jahren immer noch ungelösten irischen Konflikt wieder aufflammen lassen würde. Nur – genau das wird die EU nicht nachverhandeln.

Gleichzeitig gaukelt Theresa May den Europäern vor, dass sie die Situation noch im Griff hat und einen sauberen Ausstieg aus der EU hinlegen wird. Das stimmt allerdings genau so wenig wie die Aussagen, die sie im britischen Parlament trifft.

Am 29. Januar wird das Unterhaus über einen neuen (?) Plan abstimmen, also auf den Tag genau zwei Monate, bevor der „Brexit“ dann vollzogen werden soll. Doch was will Theresa May umwerfend Neues anbieten, was die britischen Abgeordneten nicht bereits abgelehnt haben? Alle Lösungen der Vernunft, wie beispielsweise das seit Monaten geforderte „Final-Say-Referendum“, bei dem die britische Bevölkerung das letzte Wort hätte, lehnt Theresa May ab. Unter dem Vorwand des Schutzes der Demokratie richtet die verbohrte Regierungschefin ihr eigenes Land zugrunde. Ihre Partei, die Tories, lassen das geschehen und haben in der letzten Woche die Chance verpasst, Theresa May aus der Downing Street 10 zu verjagen. Dadurch machen sich die britischen Konservativen weiter mitschuldig an dieser Misere, mit der Theresa May bereits heute irreparable Schäden ausgelöst hat, wie den Wegzug großer Teile des Finanzzentrums der Londoner City, die nach Paris oder Frankfurt umgezogen sind.

Doch augenscheinlich ist das britische Führungspersonal derartig schwach, dass es sich nicht gegen die Dynamik stemmen können, die David Cameron und Theresa May entfacht haben. Wie im „Zauberlehrling“ werden die britischen Konservativen die innenpolitischen Geister, die sie gerufen haben, nicht mehr los. Blöd, dass dies die Einheit des Vereinten Königreichs, die britische Wirtschaft und auch die britischen Sozialsysteme auf lange, lange Jahre ins Aus katapultiert. Von den Schäden in Europa ganz zu schweigen. Und so stolpert die sichtlich überforderte Theresa May von einer Show zur nächsten und tänzelt dabei auf den Abgrund zu. Doch wenn sich die Briten nun nicht langsam gegen das geradezu undemokratische Gehabe einer Regierungschefin aufbegehren, dann sind sie es irgendwann auch selbst Schuld. Dieser „Brexit“ ist keine Naturgewalt, die über die britischen Inseln hereinbricht, sondern der größte Quatsch, den sich britische Politiker je ausgedacht haben. Noch ist Zeit zur Umkehr, doch deutet momentan nichts darauf hin, dass die Briten doch noch rechtzeitig aufwachen. Mal schauen, was Theresa May nun in Brüssel zu sagen hat.

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