Polen fordert 1,3 Billionen Euro von Deutschland

Ob das der richtige Zeitpunkt ist, dass Polen 1,3 Billionen Euro Entschädigung für die angerichteten Schäden des II. Weltkriegs von Deutschland fordert, ist fraglich.

Nach dem deutschen Einmarsch in Polen am 1. September 1939 richteten die Nazis unglaubliche Schäden in Polen an. Foto: unknown author / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Als Polen im Jahr 1953 auf weitere Reparationszahlungen von Deutschland verzichtete, dachte man allgemein, dass damit die Frage der Reparationen zwischen beiden Ländern ausgestanden sei. Ist sie aber nicht. Eine Kommission des polnischen Parlaments hat nun ausgerechnet, dass Deutschland Polen noch 1,3 Billionen Euro an Reparationen schuldet. Deutschland weigert sich, über diese Forderung alleine nur zu sprechen. Doch mit einem „die haben sie doch nicht mehr alle“ macht man es sich zu einfach.

Zur Frage der Reparationen gibt es mehrere Ebenen und jede dieser Ebenen sollte ernstgenommen werden. Da wäre zunächst die juristische Ebene. Hier hätte Polen wohl keine Chance, der 1953 erklärte Verzicht auf weitere Zahlungen ist rechtskräftig und wurde, wie auch Außenministerin Annalena Baerbock erklärte, mehrfach bestätigt. Juristisch ist also nicht viel drin.

Doch dann gibt es weitere Ebenen. Beispielsweise eine moralische Ebene und auch eine politische Ebene. Auf der moralischen Ebene muss man festhalten, dass es nachvollziehbar ist, dass es in den Ländern, die von den Nazis zerstört und deren Einwohner ermordet wurden, als ungerecht empfunden wird, dass Deutschland nach dem II. Weltkrieg speziell von den Amerikanern hochgepäppelt wurde, während viele der Länder, in denen die Nazis barbarisch gewütet hatten, bis heute unter den Folgen dieses Kriegs leiden.

Allerdings gibt es auch eine moralische Ebene in die andere Richtung. Ist es nach 80 Jahren richtig, dass Menschen, die nicht selbst unter den Gräueln der Nazis gelitten haben, Geld von anderen Menschen fordern, die diese Gräuel nicht begangen haben? Kann man ernsthaft der vierten oder fünften Nachkriegs-Generation noch Schuld und Sühne für die Untaten ihrer Vorfahren aufbürden? Bis wie weit in die Vergangenheit zurück sollte so etwas funktionieren? Sollte die Stadt Hamburg Reparationen von Frankreich fordern, weil Napoleon die Stadt Anfang des 19. Jahrhunderts in Schutt und Asche gelegt hat?

Und dann gibt es noch eine politische Ebene. Innerhalb der Europäischen Union sollte der „europäische Wert“ der Solidarität etwas ernster genommen werden. Wenn ein reiches Land in der Lage ist, einem weniger begüterten Land in einer Notlage zu helfen und es dabei noch alte Rechnungen gibt, sollte man zumindest darüber sprechen. Nun ist Polen nicht gerade notleidend, weswegen sich diese Überlegungen eher auf Griechenland als auf Polen beziehen sollten. Denn Griechenland, dessen Nationalbank von den Nazis in Form eines „Zwangskredits“ geplündert wurde, geht es wirklich nicht gut.

Die griechischen Forderungen für diesen „Zwangskredit“ würden sich heute auf ungefähr 11 Milliarden Euro belaufen. Doch auch hier wird in Berlin der Begriff „Solidarität“ geflissentlich übergangen.

Deutschland stünde es gut zu Gesicht, würde man sich mit diesen Forderungen zumindest ernsthaft auseinandersetzen. Man kann nicht einerseits beklagen, dass Russland heute nicht gesprächsbereit ist, gleichzeitig aber das Gespräch zu Themen verweigern, die uns selbst unangenehm sind.

Insgesamt sieht es wohl für die polnischen Forderungen eher mau aus, allerdings sollte man sich noch einmal das Dossier Griechenland genauer anschauen. Denn in Griechenland steht Deutschland eindeutig in der Schuld, Griechenland hat nie auf Reparationszahlungen verzichtet (Griechenland durfte auch bei den entsprechenden Verhandlungen gar nicht teilnehmen) und Deutschland sollte einen anderen, besseren Weg finden, mit seiner eigenen Vergangenheit klarzukommen. Mit „Schwamm drüber“ wird man der Thematik nicht gerecht.

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