Politischer Treibsand

Frankreichs neuer Premierminister François Bayrou hat noch nicht einmal sein neues Kabinett benannt, da weist bereits vieles darauf hin, dass er wie sein Vorgänger Michel Barnier scheitern wird.

Ist das Frankreichs neuer Regierungschef François Bayrou beim Versuch, eine Mehrheit zu basteln? Foto: Jacob W. Frank / Arches National Park / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Emmanuel Macron, der Verantwortliche, der jede Verantwortung für das von ihm angerichtete politische Chaos in Frankreich zurückweist, hat ganze Arbeit geleistet – Frankreich ist heute praktisch unregierbar. Damit es doch irgendwie klappt, stellt der neue Premierminister, „Macronist“ Bayrou, geradezu undemokratische Forderungen an die anderen Parteien, die der Haltung seines obersten Chefs entsprechen – „schließt euch unserer abgewählten Regierung an und sorgt gefälligst dafür, dass wir einfach weiterregieren können.“

Der Aufruf, die bereits scheintote „Macronie“ noch ein wenig weiter leben zu lassen, geht an die „Les Républicains“ (kein Problem, der neue wie der vorherige Premierminister stammen aus diesem Lager), an die Sozialisten, die Kommunisten und die Grünen, die bereits alle angekündigt haben, sich nicht an der nächsten Regierung beteiligen zu wollen. Doch damit sie trotzdem diese nächste Minderheitsregierung mittragen, versuchen es Bayrou/Macron erneut mit einem Taschenspielertrick und die drei „linken“ Parteien wären schlecht beraten, sich auf so einen undemokratischen Deal einzulassen.

Und so soll dieser „Deal“ aussehen: Die „linken“ Parteien sollen versprechen, keinen Mißtrauensantrag zu stellen und die Regierung Bayrou zu stürzen, im Gegenzug sagt Bayrou zu, nicht den gefürchteten Verfassungsartikel 49.3 zu nutzen (mit dem die Regierung Entscheidungen am Parlament vorbei treffen kann), „es sei denn, dies wäre unbedingt nötig“. Übersetzt bedeutet das, dass die Opposition auf eines der wichtigsten politischen Instrumente der Opposition verzichten soll, während die Regierung nur vage zusagt, auf das höchst undemokratische Instrument des 49.3 nur dann zu nutzen, wenn man dies für erforderlich hält. Einen viel schlechteren „Deal“ könnten die drei „linken“ Parteien gar nicht machen.

Dass die linksextreme LFI und das rechtsextreme Rassemblement-ex-Front National von vornherein auf Befehl Macrons von den Diskussionen ausgeschlossen wurden, zeigt auch, dass das Modell der V. Republik ausgedient hat – denn so richtig demokratisch ist es auch nicht, wenn zwei Parteien, die zusammen rund 17 Millionen Wählerstimmen bei den kürzlichen Wahlen erhalten haben, einfach aus der französischen Politik mit Tricksereien ausgeschlossen werden.

Die ersten Namen der neuen Regierung Bayrou zirkulieren bereits. Der Innenminister, Hardliner Bruno Retailleau soll im Amt bleiben und dazu soll mit Gérald Darmanin ein längst geschasster Minister der „Macronie“ wieder ins Kabinett kommen und die Vermutung ist zulässig, dass auch die sechste Regierung unter Macron erneut eine ganz normale „Macron-Regierung“ sein wird, nicht Mitte-Rechts (wie unter Gabriel Attal), nicht Rechts-Rechts (wie unter Michel Barnier), sondern dieses Mal Mitte-Rechts-Rechts – in der Tat, eine „Macronie-Variante“, die es bisher nicht gab, die aber wieder diejenige Regierung sein wird, die von den Franzosen im Sommer bereits abgewählt wurde.

Man kann es drehen, wie man will – an der Abschaffung der französischen Demokratie trägt alleine der Präsident die Schuld, auch, wenn er das immer wieder abstreitet. Er hat Frankreich in ein derartiges Chaos gestürzt, dass es nicht einmal mehr gesprächsbereite Regierungschefs wie Attal, Barnier oder jetzt Bayrou schaffen, auch nur ein wenig Ordnung in diese verfahrene Situation zu bringen. Währenddessen paradiert Macron pfauengleich durch die internationale Bühne, wo er auch nur noch sehr begrenzt ernstgenommen wird und hält sich immer noch für den Alleinherrscher von Gottes Gnaden über das gemeine französische Volk.

Eine entscheidende Rolle wird den Sozialisten, den Kommunisten und den Grünen zukommen. Sollten diese den sehr undemokratischen Vorschlägen Bayrous folgen, und der sechsten Macron-Regierung einen Blankoscheck ausstellen, müssen sie auf absehbare Zeit gar nicht mehr bei Wahlen antreten. Zumal sie dafür keinerlei Gegenleistung für ihre politischen Programme erhalten werden, sondern lediglich einen präsidialen Klaps auf die Schulter. Aber sollten die „linken“ Parteien dafür wirklich ihre eigene Zukunft aufs Spiel setzen?

Nach wie vor fällt auf, dass die „Macronie“ nichts an ihrer Haltung geändert hat. Die Grundaussage der „Macronisten“, die im Parlament nicht einmal ein Drittel der Sitze halten, lautet: „Wer uns nicht ermöglicht, trotz unserer Abwahl weiter zu regieren, ist ein schlechter Franzose und ein schlechter Republikaner“. Das ist auch die Aussage des Präsidenten, der gerade dabei ist, die französische Gesellschaft, die französische Wirtschaft und das internationale Ansehen Frankreichs auf Jahre hinaus zu ruinieren. Und dabei sollen ihm die „linken“ Parteien auch noch helfen?

Und so kommt es, dass auch der neue Premierminister noch vor seinem Amtsantritt dabei ist, im politischen Treibsand von Paris zu versinken. Aber vielleicht schafft Bayrou noch einen Rekord – den der kürzesten Amtszeit eines französischen Regierungschefs. Den hält seit einigen Tagen sein Vorgänger Michel Barnier, doch kein Rekord ist ewig…

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