Präsidentschaft der EU-Kommission – der Verrat

Die europäische Diplomatie läuft auf Hochtouren. Hektische Treffen, britische Erpressungen und bei allem stört die europäische Politik vor allem eines: das Votum der Europäer.

Die beiden treten gerade die europäische Demokratie mit Füssen - Merkel und Cameron. Foto: Sebastian Zwez / www.securityconference.de / WIkimedia Commons

(KL) – Im Grunde dürfen wir uns nicht beschweren – die Politiker, die gerade dabei sind, die europäische Demokratie an die Wand zu fahren, die haben wir selber gewählt. Dennoch müssen sich vor allem diejenigen verraten fühlen, die am 25. Mai zur Europawahl gegangen sind. Denn man hat die europäischen Wählerinnen und Wähler unter Vortäuschung falscher Tatsachen an die Wahlurnen gelockt.

Wer hat eigentlich die Europäische Volkspartei, also die europäischen Christdemokraten, gezwungen, ausgerechnet das europäische Auslaufmodell Jean-Claude Juncker zum Spitzenkandidaten bei den Europawahlen zu machen? Jetzt, wo er als Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im neuen Parlament gewählt wurde, fallen ihm seine eigenen Leute in den Rücken und schlimmer noch, sie zeigen deutlich, dass sie das Votum der Europäer nicht im Geringsten interessiert.

Allen voran „Vorzeigeeuropäer“ David Cameron. Den pausbäckigen britischen Premier hat man im Vorfeld der Wahl überhaupt nicht konstruktiv gehört und jetzt, wo der Kandidat seiner eigenen politischen Partei gewonnen hat, droht er mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU, sollte sein Parteifreund wie versprochen zum Präsidenten der mächtigen EU-Kommission werden. Wie sehr ihm Juncker gegen den Strich geht, hat Cameron wohl erst nach der Wahl gemerkt.

Auch andere EVP-Granden rammen ihrem Kollegen Juncker und dabei auch der europäischen Demokratie gerade einen Dolch in den Rücken. Kanzlerin Merkel entdeckte ihre Abneigung gegen Juncker auch erst, als dieser gewählt war und seitdem dreht sie ihre politische Position immer schön in die Richtung, aus der gerade der Wind weht. Mal lehnt sie Juncker ab, mal unterstützt sie ihn – und alle zusammen vergessen sie, dass sie vor der Wahl versprochen hatten, dass der Chef der stärksten Fraktion auch der neue Kommissionspräsident wird. Mit diesem Versprechen hatten sie die Europäer an die Wahlurnen gelockt. „Diese Wahl ist besonders wichtig, denn zum ersten Mal bestimmen die Bürger Europas den EU-Kommissionspräsidenten“, hieß es vor der Wahl.

April, April. Juncker und die Idee einer europäischen Demokratie werden gerade von einer konservativen „Viererbande“ geschlachtet. Der schwedische Ministerpräsident Frederik Reinfeldt hat seine Parteifreunde und Kollegen Merkel, Cameron und den niederländischen Premier Mark Rutte heute zu einer Art „Anti-Juncker-Gipfel“ eingeladen, bei dem das weitere Vorgehen besprochen werden soll.

Doch der Verrat an den europäischen Wählerinnen und Wählern ist bereits begangen – egal, was die vier besprechen und entscheiden, die haben das letzte bisschen Vertrauen, das die Europäer noch in ihre Politik hatten, auf lange Jahre hinaus zerstört. Man kann nur staunen, mit welcher Leichtigkeit sich die Politiker über das Votum der Bürger hinwegsetzen und sich dabei noch nicht einmal selbst kritisch hinterfragen. Alle vier hätten die Möglichkeit gehabt, sich für einen anderen Kandidaten als Juncker stark zu machen – aber sie haben es nicht getan.

Wie korrupt das Brüsseler Europa mittlerweile geworden ist, erkennt man daran, dass hier die größte europäische Volkspartei nicht zögert, ihren eigenen, erfolgreichen Spitzenkandidaten öffentlich zu vierteilen. Das Credo des Brüsseler Europas „Europa ist das, was mir persönlich nützt“, ist genau das Element, das den Europagegnern und Rechtsextremen in die Karten spielt. Die Respektlosigkeit vor der Demokratie, vor den Bürgerinnen und Bürgern, sowie die politische Arroganz der Cameron, Merkel & Co. stürzt Europa in eine tiefe Sinneskrise, deren Auswirkungen langfristig schlimmer sein können als die Finanzkrisen, die Europa immer wieder schütteln.

Und wir sollten jetzt endlich einmal aufhören, wie die Lemminge und reflexartig immer wieder für diejenigen zu stimmen, die Europa, die Demokratie und die Bürgerinnen und Bürger so leichtfertig mit Füssen treten. Wer Merkel und Cameron wählt, der darf sich am Ende nicht beschweren, dass diese sich wie Merkel und Cameron benehmen. Wir sollten lernen, etwas sorgsamer mit der Frage umzugehen, wem wir die Schlüssel der nationalen Parlamente und der europäischen Institutionen anvertrauen. Sein Kreuzchen hinter den Namen der Henker der Demokratie zu machen, ist vielleicht keine so gute Idee…

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