Professor Börne und das Burkaverbot

„Liebesverbot“ heißt die Oper von Wagner, die ausgerechnet an jenem Sonntag in der Rheinoper von Straßburg Premiere hatte, an dem Professor Börne unliebsame Tanzstunden mit der Staatsanwältin Klemm nehmen musste.

Die Sängerin Agniezka Slawinska verleiht dem "Liebesverbot" einen witzigen Tiefgang. Foto: Klara Beck

(Von Michael Magercord) – Man stelle sich vor, man zwinge Professor K.F. Börne, den berühmten Rechtsmediziner aus dem westfälischen Münster, der – wie jeder langjährige Tatort-Zuschauer weiß – ein glühender Wagnerianer ist, dazu, Tanzstunden zu nehmen. Auch noch Schiebe-Tango. Auch noch mit der herrischen Staatsanwältin Klemm. Das ist mindestens genauso schlimm, wie den ehrenvollen Kreis des Internationalen Wagner Verbandes dazuzubringen, sich Richard Wagners Oper „Liebesverbot“ anzusehen.

Beides geschah am vorletzten Sonntag. Das eine im deutschen Fernsehen, das andere in der Rheinoper zu Straßburg. Beim ersteren haben rechts des Rheines wieder fast alle zugeschaut – Rekordquote heißt das im TV-Deutsch – und sehen können, dass trotz des Zwanges dem Gezwungenen trotz allem Geziehe eine gewisse Freude an dem Gehopse und Geschiebe anzusehen war. Aber auch in der Rheinoper zu Straßburg war die Bude voll und die Zuschauer des „Liebesverbots“ konnten sehen, dass Wagner, wenn man ihn nur richtig anpackt, sogar richtig lustig sein kann. Und auch so mancher Wagnerianer konnte an diesem Abend wohl seine Freude an all dem unwagnerischen feucht-fröhlichen Treiben auf der Bühne nicht ganz unterdrücken.

Denn man muss wissen, dass diese Oper, Wagners zweite und einzige „komische“, ausgerechnet zum Abschluss des alljährlichen Wagner-Kongresses angesetzt war, der dieses Mal linksrheinisch in Straßburg stattfand. Ziemlich mutig von der Rheinoper, den Kongress zum Tanzen bringen zu wollen, steht doch das „Liebesverbot“ auf dem Verbotsindex der wahren Wagnerianer: Ein Frühwerk, unreif, seicht, buffo, italienisch gar, und welch Schimpf ein tiefgesinnter Germane sonst noch über die simple mediterrane Lebenslust ergießen kann. Nun ja, auch die Germanen sind schon länger nicht mehr, was sie waren. Und da am Sonntag auch nicht nur Germanen und Wagnerianer da waren, brandete schließlich der Applaus über die überaus gelungene Aufführung ganz unverschämt herzlich durch den opulenten Opernsaal.

In Bayreuth, dem Mekka, nach dem sich wahre und echte Wagnerainer neigen, wird diese turbulente  Oper – man möchte fast sagen: natürlich – nicht gespielt. Und man möchte fast sagen: besser so! Denn was würde man dort, in der selbsternannten Werkstatt der regietheatrigen, möchte-gern tiefsinnigen Verunstaltungen schon machen? Aus diesem Spiel um das Verbot von Karneval und Liebesvollzug, also um das Verbot der Vermummung und der freien Liebesübungen machen? Fingerhebend die Umkehrung der bürgerlichen Moral in Anbetracht einer außerkulturellen Herausforderung beklagen? Also allesamt in Burkas und nacktem Busen auf der Bühne?

Blanken Busen gab’s ganz kurz zum Schluss auch in dieser Aufführung zu sehen, all das andere nicht. Jedenfalls nicht offensichtlich. Dazu ist diese – im besten Sinne des Abends – liebevolle Inszenierung von Mariame Clement nämlich viel zu klug. Denn es ist eine kluge und hohe Kunst, eine belustigend ironische Distanz zum Werk zu halten, ohne sich davon zu distanzieren. Das erst schafft eine wahre Ernsthaftigkeit, die den Raum öffnet, in dem dann all die anderen ach so tiefsinnigen oder einfach nur perversen Phantasien unangestrengt mitschwingen können.

Weiterhin offen allerdings bleibt die Frage, ob der neunmalkluge und ziemlich eingebildete K.F. Börne, der ja immerhin seine Ballet-Karten seiner Tango-Parterin überlassen hatte, nur um sich vor einer Tanzstunde mit ihr zu drücken, auch bereit gewesen wäre, dafür auf die diese unterhaltsame, stringente, schön anzusehende und auch auf musikalisch hohen Niveau dargebotene Opernaufführung zu verzichten. Das aber, lieber Herr Professor und Wagnerianer, wäre dann doch ziemlich dumm.

Liebesverbot – Opera National du Rhin
Infos und Tickets unter: www.operanatinaldurhin.eu

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