Propaganda-Show in Saporischschja

Der Besuch der Experten-Kommission der IAEA im umkämpften ukrainischen AKW Saporischschja bewegt sich am Rande zur Farce. Zumal den Experten der Zutritt zu sensiblen Bereichen verwehrt wird.

Ankunft der IAEA-Experten vor Ort - eine heikle Mission! Foto: ScS EJ

(KL) – Ganz schön mutig, die Inspektoren der Internationalen Atombehörde IAEA. Sich in das AKW Saporischschja zu begeben, das größte AKW Europas mit sechs Reaktoren, ist eine Leistung, denn niemand weiß momentan genau, wie es in dieser umkämpften Anlage wirklich aussieht. Das allerdings werden die Experten auch nicht mit Sicherheit sagen können, denn die russischen Besatzer der Anlage verweigern den Experten den Zugang zu den sensiblen Bereichen. Immerhin, die IAEA hat beschlossen, zwei Experten dauerhaft in Saporischschja zu stationieren, was offenbar den russischen Besatzern nicht so recht ist, doch wird es schwer sein, die Präsenz neutraler Experten vor Ort zu verbieten.

Um jedes Detail dieser Inspektionsreise gab es Ärger und Hin und Her. So musste die Delegation von Kiew aus anreisen, da die Ukraine fürchtete, dass eine Anreise von russischem Gebiet aus einer „Anerkennung“ der Besatzung des AKW gleichkäme. Warum das so interpretiert werden könnte, bleibt allerdings das Geheimnis Kiews.

Auch die Anreise war offensichtlich nicht ganz ungefährlich, laut Berichten wurde kurz vor dem Eintreffen des Konvois auf besetztem Gebiet noch geschossen. Auch durften bei den Presseterminen zunächst ausschließlich russische Medien anwesend sein, doch nach zahlreichen Protesten dürfen inzwischen auch ein paar handverlesene westliche Journalisten auf das AKW-Gelände, wo sie übereinstimmend Kampfspuren und Einschusslöcher an den Gebäuden des AKW festgestellt haben.

Nach wie vor beschuldigen sich Russland und die Ukraine gegenseitig, die Anlage zu beschiessen und sollte das so weitergehen, düfte es am Ende egal sein, wer nun geschossen hat. Der Kampf um dieses AKW stellt nach wie vor eine nukleare Bedrohung für ganz Europa dar und am Ende kann ein einziger Fehler ausreichen, um eine Katastrophe auszulösen.

Dennoch muss man den Besuch der IAEA-Experten als einen ersten, vorsichtigen Schritt hin zu einem zaghaften Austausch betrachten. Seit Monaten liegen die Verhandlungen auf Eis, beide Seiten haben für die jeweils andere Seite unannehmbare Forderungen aufgestellt, um die Gespräche wieder aufzunehmen und diese Inspektion könnte ein allererster Schritt hierzu sein.

Wer momentan am meisten lügt, ist schwer festzustellen. Gelogen wird auf beiden Seiten und niemand kann aktuell sagen, wer mehr lügt. Dass der ukrainische Präsident Selenskyj den Truppenabzug aus dem AKW und eine „Entmilitarisierung“ der Anlage fordert, ist natürlich nachvollziehbar, doch gleichzeitig ist es illusorisch zu glauben, dass Russland auch nur einen Millimeter des eroberten Gebiets freiwillig wieder herausgibt. Auch die von Selenskyi in Aussicht gestellte Stromlieferung nach Europa ist weitgehend illusorisch, denn diese Entscheidung dürfte, so lange die Besetzung andauert, in Moskau und nicht in Kiew fallen.

Die Welt erlebt gerade in Saporischschja den Tanz auf dem Vulkan der Kriegsparteien. Uns geht das insofern viel an, als dass die Konsequenzen eines aus-dem-Ruder-Laufens der Situation verheerende Konsequenzen für ganz Europa hätte. Doch was Europa fürchtet oder nicht, interessiert im Konzert der Weltpolitik niemanden. Europa ist lediglich dafür da, alle Kriegsparteien zu finanzieren, die Ukraine mit Waffen zu versorgen, die wirtschaftlichen Konsequenzen des Kriegs und des Wiederaufbaus zu tragen, Flüchtlinge zu versorgen und ansonsten möglichst keine Meinung zu haben.

Im Grunde muss man schon fast Respekt davor haben, wie Russland und die Ukraine Europa und den Westen seit einem halben Jahr am Nasenring durch die Manege führen. Doch damit eine solche Situation eintreten kann, braucht es zwei. Eine Seite, welche die andere am Nasenring führt und eine andere, die sich führen lässt. Erstaunlich, dass sich der Westen so bereitwillig vorführen lässt…

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