Proteste in Frankreich – Tendenz steigend

Jeden Samstag gehen mehr Franzosen auf die Straße, um gegen die sanitäre Politik der Regierung und deren Maßnahmen zu demonstrieren. Und wir stehen erst am Anfang…

Die samstäglichen Demonstrationen in Frankreich sind friedlich - schade, dass kaum jemand die Barriere-Gesten einhält und/oder eine Maske trägt. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Jeden Samstag seit 4 Wochen demonstrieren die Franzosen gegen die sanitäre Politik der Regierung. Hunderttausende ziehen durch die Städte Frankreichs und jeden Samstag werden sie mehr. Doch wie jede Protestbewegung, die freiwillig auf eine Führungs- und Organisationsstruktur und daher auch auf klar formulierte Forderungen verzichtet, ist auch diese Bewegung nur sehr schwer zu lesen. Nur eines ist klar – so schnell werden diese Proteste nicht abebben, im Gegenteil. Ähnlich wie bei den sozialen Konflikten seit 2018 um die „Gelbwesten“ und auch die Rentenreform, reagiert die Regierung mit Geringschätzung und leeren Phrasen. Als erster Schritt zur Besserung wäre dringend ein Wechsel der Kommunikationsberater von Präsident Macron angebracht.

Eurojournalist(e) beobachtet diese Demonstrationen aufmerksam, sowohl in Straßburg, als auch in Mulhouse. In beiden Städten, so unsere Beobachtung, sind rund 80 % der Demonstranten mit ernst zu nehmenden Fragen und Forderungen unterwegs, die zwar nicht immer deckungsgleich sind, aber gehört und vor allem beantwortet werden müssten. Dazu kommen rund 20 % Rechts- und Linksextreme, Komplottisten aller Couleur und Stadtneurotiker, die wirre Plakate in die Luft halten, die mit dem Thema der Pandemie gar nichts zu tun haben. Ein paar „Gelbwesten“ sind auch dabei, „Black Blocks“ nicht. Und – die Demonstrationen, die immer grösser werden, verlaufen friedlich. Nach anderthalb Jahren gewalttätiger „Akte“ der „Gelbwesten“ ist dies durchaus erwähnenswert.

Was also wollen die Demonstranten mehrheitlich? Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, doch kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Mehrheit der Demonstranten den „sanitären Pass“ und auch den teilweise bereits eingeführten Impfzwang (zunächst noch für einzelne Berufsgruppen, doch wird inzwischen in Paris offen über die Einführung eines allgemeinen Impfzwangs für die ganze Bevölkerung diskutiert) ablehnt. Den meisten Demonstranten geht es gar nicht gegen die Impfungen als solche, weswegen die verallgemeinernde Bezeichnung „Anti-Vaxx“ nicht zutreffend ist. Gemeinsame Nenner der Demonstranten sind neben der Ablehnung der beiden erwâhnten Punkte auch die Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten und der Wunsch nach „Liberté“ – beide Forderungen werden bei den Demonstrationen laut vorgetragen.

Die Regierung versucht nun das, was sie seit Amtsantritt bei allen Sozialkonflikten tut – sie versucht, die Situation auszusitzen und beschränkt sich ansonsten darauf, die Demonstranten zu verunglimpfen, mit weiteren, verschärften Maßnahmen zu bedrohen und den geimpften Teil der Bevölkerung gegen diese Protestbewegung aufzuhetzen. Diese Unfähigkeit zur Konfliktlösung wird weiterhin von einer selbstherrlichen und grottenschlechten Kommunikation begleitet, die nicht etwa darauf abzielt, die Franzosen zu einen, sondern die dazu geeignet ist, die bislang verbale Gewalt zwischen Geimpften und Nichtgeimpften weiter eskalieren zu lassen. Frankreich hat wirklich großes Pech, in einer solchen Krise von einer Regierung gemanagt zu werden, die sich selbst stolz als „Amateure“ bezeichnet.

Die Getreuen von Präsident Macron sind tapfer an der Medienfront und in den sozialen Netzwerken unterwegs und glänzen hier entweder durch nichtssagende Allgemeinplätze oder durch Hetzreden, mit denen weder die Zweifler überzeugt, noch die Franzosen geeint werden können. Immer wieder wiederholen die Abgeordneten der „La République en Marche“, der Macron-Partei, in allen TV-Diskussionen den Vergleich zwischen der Anzahl Menschen, die sich seit den Drohungen des Präsidenten vor drei Wochen haben impfen lassen und der Anzahl Menschen, die samstags demonstrieren geht. Für die „Marcheurs“ ist der Umstand, dass die höhere Anzahl der Menschen, die sich unter Androhung des Verlustes des Arbeitsplatzes, des sozialen Status und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben impfen lassen, der Beweis, wie toll der Präsident die Franzosen von der Notwendigkeit der Impfungen überzeugt hat. Dass die meisten dieser Menschen zur Impfung unter Drohungen genötigt wurden, ist nicht gerade ein Zeichen für Impf-Begeisterung, sondern für viele der einzige Weg, die von der Regierung bedrohte Existenz zu retten. Eigentlich nichts, worauf man stolz sein sollte. Und einmal mehr würde man sich wünschen, dass Präsident Macron eine andere Kommunikations-Agentur verpflichtet, die solche unglaublichen Kommunikationsfehler vermeidet.

Andere „Marcheurs“, wie der Regionalrat W. B. „glänzen“ momentan mit täglichen Posts, in denen sie unbehelligt die „Fake News“ verbreiten, dass die „Nicht-Geimpften an der Pandemie die Schuld tragen“, wobei dieser völlig verantwortungslose Politiker seine Grundaussage auch in den Varianten „die Nichtgeimpften sind für den weiteren Verlauf der Pandemie verantwortlich“ oder auch „erkrankte Nicht-Geimpfte sollen im Falle einer Erkrankung die Kosten für ihre Behandlung selber zahlen“ präsentiert. Eigentlich fehlt jetzt nur noch der Aufruf an die „guten Franzosen“, nämlich die Geimpften, Jagd auf Nicht-Geimpfte zu machen.

Die Demonstrationen werden weitergehen, so viel steht fest. Die Regierung wird weiter die Schrauben anziehen und weiterhin wachsenden Widerstand gegen die verhängten Maßnahmen erleben. Doch statt sich auf reine Repression und Slogans zu beschränken, wäre es vielleicht keine schlechte Idee, es mal mit transparenter und ehrlicher Kommunikation zu versuchen. Wer Zweifel hat, wird kaum auf die Aussage „Die Impfungen sind sicher und Sie schützen damit sich und andere, vertrauen Sie uns einfach!“ reagieren, zumal diese Aussage von der gleichen Regierung kommt, die noch vor einigen Monaten mit der gleichen treuherzigen Versicherung gesagt hatte: „Tragen Sie keine Gesichtsmasken, die sind ’kontraproduktiv’. Vertrauen Sie uns einfach!“

Eine transparente Kommunikation könnte beispielsweise damit beginnen, dass die Regierung erklärt, warum sie immer noch Werbespots ausstrahlt, in denen sie die verbreitet, dass man nach zwei Dosen Impfstoff andere schützt (die so wirksam sind, dass die beiden ersten Dosen wirkungslos bleiben und nun durch eine dritte ergänzt werden müssen…). Es ist erwiesen, dass man sich trotz Impfung weiterhin mit dem Virus anstecken und dieses weiter verbreiten kann. Wer so kommuniziert, der darf sich nicht wundern, wenn ihm nicht geglaubt wird. Das größte Hindernis für eine erfolgreiche Impfkampagne sind nicht etwa störrische Extremisten, sondern eine verlogene Kommunikation, die sich seit anderthalb Jahren kein bisschen gebessert hat.

Man darf gespannt sein, wie sich nächsten Samstag entwickeln und man kann nur hoffen, dass diese Samstage weiterhin friedlich bleiben…

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