Psychoterror und Plansollerfüllung zum Auftakt

Die Brasilianer taten zur Eröffnung der Fußball-WM im eigenen Land genau das, was alle von ihnen erwarten.

Ein kalifornisches Hotel in Endlosschleife: Der Sound beim Public Viewing am Freiburger Hauptbahnhof ist gecheckt. Hoffentlich. Foto: Bicker

von Arne Bicker

Oha, da war ja schon mal ganz schön Dampf im Kessel, gestern, beim Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien. Die Gastgeber agierten gegen starke Kroaten weniger nervös als gedacht, mussten sich aber nach dem 0:1 durch ein Eigentor von Marcelo zunächst ins Spiel hineinschütteln wie ein nasser Hund, um dann am Ende insgesamt vier Tore zum 3:1-Endstand markiert zu haben.

Ist das die Lehre aus diesem Spiel: Kann sich Brasilien, wenn, dann nur selbst bezwingen? Wohl kaum, da gibt es noch andere Kaliber im Turnier, die den Brasilianern auf die Sambaschläpple (badisch für Nockenschuh) spucken wollen. Ich sage nur: Australien und Chile – Abwarten. Das sind jedenfalls meine Geheimfavoriten in der Gruppe B, wobei mir diese Wahl leicht fällt, da mit Spanien und den Niederlanden ansonsten nur aktuelle Weltmeister und Vizeweltmeister in diesem Topf ihr Süppchen kochen.

Zurück zum Auftaktspiel: Einen ersten Aufreger gab es, weil der japanische Schiedsrichter Yuichi Nishimura Brasiliens Fred einen Elfmeter geschenkt haben soll. Nun, der Kroate Dejan Lovren hatte Fred seine Hand nicht zum Spontanheilen einer Schuppenflechte auf die Schulter gelegt, auch wenn dieser dann theatralisch dahinsank wie der Fischer in Goethes Gedicht. Belohnen sollte man solche fast schon italienisch anmutenden Ich-bin-ein-Kranz-Niederlegungen nicht, außer mit einer gelben Karte; aber ausschließlich an den Haaren herbeigezogen war der Elfer dann auch wieder nicht.

Eine, oder besser: zwei Handauflegungen hätte ich gestern auch gebrauchen können, und zwar auf meine Ohren, tagsüber. Als Anwohner von Baden-Württembergs vorgeblich größtem Public Viewing für 13.500 Menschen auf dem Freiburger Strabag-Gelände wurde ich Fernzeuge diverser Soundchecks und Hörproben. Das störte eigentlich nicht sehr – es fehlte nur die Abwechslung. Ungefähr einhundertachtundreißig mal wehte von dort „Hotel California“ von den Eagles durch meine Fenster – ein Stück, dass ich bis dahin gemocht hatte. Seufz. Jetzt hat mein Trommelfell Spurrillen: „I heard the mission bell“.

Meine Mission ist es daher, hier ein anderes Stück als heutigen Musiktipp zu verewigen, um den Ohrwurm aus meiner Birne zu vertreiben: Der „Sick Blues“ des kroatischen Gitarristen Marin Jerkunica mag dessen Landsleuten Trost spenden und Erklärungen liefern vor dem nächsten Löwenfuttermarsch am Mittwoch kommender Woche gegen Volker Finkes unbezähmbare Kameruner, die nach aufreibenden Vorbereitungsverhandlungen um angemessene WM-Prämien erst in der Nachspielzeit in Brasilien anrückten.

Kamerun soll übrigens heute Abend um 18 Uhr Brasiliens Angstgegner Mexiko mürbe walken, während Chile um Null Uhr unserer Zeit im überirdischen Chirazduell auf Australien trifft. Den vorgeblichen Höhepunkt des Tages bestreiten um 21 Uhr Spanien und die Niederlande. Ja, genau so lautete das Finale der letzten WM 2010 in Südafrika, das Spanien so rein duracellmäßig in der einhundertundsechzehnten Spielminute mit 1:0 für sich entschied. Diesmal haben sich die Truppen der Trainer Louis van Gaal und Vicente del Bosque vielleicht noch weniger zu sagen: Ich tippe auf ein torloses Rumgemache in der Arena Fonte Nova zu Salvador. Es sei denn, der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli hat auch etwas gegen Heilpraktiker im Strafraum.

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