Putin gegen die EU

Das Dreiergespann Erdogan, Lukaschenko und Putin setzt die EU immer weiter unter Druck und nutzt sogar die innereuropäischen Spannungen aus. Was will der Kreml-Chef?

Der türkisch-russisch-belarussische Menschenschmuggel läuft über die Drehscheiben Istanbul und Minsk. Foto: Homoatrox / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Es ist nicht falsch, wenn man Recep Tayyip Erdogan, Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin als „Schleuser“ bezeichnet. Denn die drei haben ein ausgeklügeltes System entwickelt, um die EU an ihrer Außengrenze zwischen Belarus und Polen, Litauen und Lettland massiv unter Druck zu setzen. Hierzu schleusen sie Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan über Istanbul und Minsk an die Grenze zwischen Belarus und den drei EU-Mitgliedsstaaten, wo sich mittlerweile Tausende Flüchtlinge in den Wäldern aufhalten und versuchen, in die EU zu kommen. Dies findet nicht nur mit dem Einverständnis der drei beteiligten Länder statt, sondern sie haben daraus sogar ein zynisches Geschäftsmodell entwickelt.

Die Schleuser-Routen sind bekannt. Aus den Krisengebieten in Syrien, dem Irak und Afghanistan geht es nach Istanbul, von wo aus die belarussische Fluglinie Belavia und die türkische Fluglinie Turkish Airlines die Flüchtlinge direkt in die belarussische Hauptstadt Minsk fliegen. Der größte Teil dieser Flugstrecke geht durch den russischen Luftraum, so dass klar ist, dass diese Schleuserroute ein gemeinschaftliches Werk von Erdogan, Putin und Lukaschenko ist.

Von Minsk aus werden die Flüchtlinge dann ins Grenzgebiet zur EU geschleust, dort, wo es entweder nach Polen, nach Litauen und nach Lettland geht. An diesen Grenzen herrscht inzwischen Ausnahmezustand, wobei zahlreiche Augenzeugen berichten, dass die Bewegungen der Flüchtlingsmassen von der belarussischen Polizei gesteuert werden.

Die drei Menschenschmuggler Erdogan, Putin und Lukaschenko haben dabei gemeinsame Interessen und nachdem Polen in Kuznica den ersten Grenzübergang nach Belarus komplett geschlossen hat, gibt sich ausgerechnet Diktator Lukaschenko als „Hüter der Menschenrechte“. Diktator Lukaschenko, der seit seiner gefälschten Wahl tagtäglich die Menschenrechte mit Füssen tritt, ließ über sein Außenministerium erklären: „Wir möchten die polnische Seite im Voraus davor warnen, beliebige, gegen die Republik Belarus gerichtete Provokationen zu nutzen, um mögliche illegale Militäraktionen gegen benachteiligte, unbewaffnete Menschen zu rechtfertigen.“ Diese Drohung richtet sich zwar explizit an Polen, meint aber die ganze EU. Und die ist, einmal mehr, völlig hilflos angesichts des Andrangs an der östlichen Außengrenze.

Da man davon ausgehen kann und muss, dass die gesamte Aktion vom Kreml aus gesteuert wird, da sich weder Erdogan, noch Lukaschenko trauen würden, eine solche Aktion ohne grünes Licht aus Moskau zu starten, muss man nun die Frage stellen, wohin Wladimir Putin steuert.

Putin hat momentan zahlreiche Probleme. Zum einen grassiert die Pandemie in Russland wie nie zuvor, zum anderen erstarkt die Opposition und wird zu einer echten Herausforderung für den Kreml-Chef. Es ist eine alte Taktik, bei innenpolitischen Problemen die Wut der Bevölkerung gegen externe „Feinde“ zu kanalisieren und da bietet sich die EU geradezu an. Anfällig ist die EU nur im Osten, wo mit Polen ein sehr unsicherer Mitgliedsstaat liegt, der aufgrund der vielen Probleme mit Brüssel sogar Unterstützung für die Lage an der Grenze zu Belarus abgelehnt hat.

Der Blick auf die Karte zeigt es: Durch den neuen Staatenbund Russland-Belarus steht das russische Militär wieder an der Grenze zu den baltischen Staaten, an der Grenze zu Polen und schlimmer noch, die Ukraine befindet sich heute fast vom russischen Militär umzingelt. Im Süden ist die Krim von Russland annektiert worden, entlang der russisch-ukrainischen Grenze steht russisches Militär, das ebenfalls die östlichen Distrikte der Ukraine Luhansk und Donezk unterwandert hat und im Norden steht nun Belarus durch eine „integrierte Militärpolitik“ unter Moskaus Kommando.

Putin kann sich sein nächstes Ziel aussuchen. Der Griff nach der Ukraine erscheint möglich, aber auch eine Intervention in den baltischen Staaten oder im Extremfall, in Polen. Zwar weiß Putin, dass er damit den III. Weltkrieg auslösen würde, doch wer kann schon mit Sicherheit sagen, dass er nicht genau das beabsichtigt?

Die EU, naja, die EU eben. Zwar gibt es ein paar neue Sanktionen gegen das persönliche Umfeld von Alexander Lukaschenko, aber das dürfte dem Diktator von Minsk egal sein. An den Strippenzieher Putin traut sich momentan ohnehin niemand.

Allerdings sollte man es doch festhalten. Während die EU Menschenschmuggel aus dem Maghreb massiv zu unterbinden versucht, schaut Brüssel tatenlos zu, wie die drei Diktatoren eine Art „Menschenschmuggel-Luftbrücke“ aufgebaut haben, mit der sie den Westen gemeinsam unter Druck setzen und damit auch noch Geld verdienen. Erdogan, Putin und Lukaschenko sind keinen Deut besser als die Kriminellen, die an der libyschen Küste Menschen in seeuntaugliche Nussschalen setzen, Flüchtlinge verschleppen, versklaven und vergewaltigen. Und irgendwann, ja, irgendwann wird sich die EU auch einmal richtig positionieren müssen, anstatt immer dann die Augen zu schließen, wenn es kritisch wird. Aber jede Wette, unter den 27 gibt es sicher das eine oder andere Land, das jegliche Maßnahme gegen die drei diktatorischen Schurken per Veto aushebeln wird. Und deswegen schaut die EU eben lieber weg und ergeht sich weiterhin in einer triefenden Selbstzufriedenheit, für die es keinerlei Rechtfertigung gibt. Ob die EU wohl reagiert, wenn Putin und seine Verbündeten auf das Territorium der EU einrücken?

So sehen die Flüchtlingsströme aus. Foto: Homoatrox / Wikimedia Commons / CC0 1.0

So sehen die Flüchtlingsströme aus. Foto: Homoatrox / Wikimedia Commons / CC0 1.0

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