Putin immer stärker unter Druck

Putins Krieg in der Ukraine ist für den Kreml-Chef eine Katastrophe. Militärisch und politisch läuft nichts nach Plan, seine Armee muss Rückschlag auf Rückschlag hinnehmen. Doch das ist noch lange nicht das Ende.

Nächtlicher Blackout in der Ukraine nach russischen Bombardements - oben rechts, hell erleuchtet, Moskau. Foto: VictorAnyaki / NASA / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wladimir Putin kommt immer mehr in Erklärungsnot. Denn in Russland rumort es in den sozialen Netzwerken, aber auch in der Armee selbst, wo die Unzufriedenheit mit der Armee-Führung, aber auch mit dem Krieg selbst, immer weiter wächst. Doch ist das alleine noch kein Zeichen für ein schnelles Ende dieses Kriegs, der selbst in Russland immer häufiger beim Namen genannt wird, obwohl dies immer noch unter Strafe steht. Nur, der Druck auf Putin geht nicht etwa in Richtung Beendigung des Kriegs, Verhandlungen oder gar Rückzug aus den besetzten und annektierten Regionen, sondern es werden die Stimmen der Falken immer lauter, die weitere Eskalations-Stufen fordern. Was das bedeutet, kann man sich vorstellen.

Die Falken in Putins Umfeld (von denen Putin selbst der Schlimmste ist) haben speziell seit dem HIMARS-Anschlag auf ein als Kaserne für Rekruten genutztes Verwaltungsgebäude im ostukrainischen Makijiwka Rückenwind. Von diesem Angriff sagt Moskau, dass 63 Rekruten getötet worden seien, eine Zahl, die selbst von den russischen Kommentatoren nicht geglaubt wird, wie man an vielen Stellen lesen kann, wo die Berichte von hunderten Toten sprechen. Dass es sich nicht etwa um eine „militärische Spezialoperation“ zur „Entnazifizierung“ des Nachbarstaats, sondern um einen ausgewachsenen Krieg handelt, das hat inzwischen jeder Russe begriffen.

Doch die Zeichen stehen weiterhin auf Sturm. Das Entsetzen über die Grausamkeiten dieses Kriegs steigt, der Hass ist fest etabliert, das Töten wird weitergehen. Die Bombardierungen werden nicht aufhören, so lange dem Kreml nicht das Geld ausgeht, um Drohnen und andere Waffen zu kaufen. Dabei ist die Kriegskasse des Kreml gut gefüllt und die Einnahmen, beispielsweise für Öl, laufen ebenfalls weiter, trotz des Lieferstopps nach Europa. Aber es gibt viele andere Kunden für die Energie und Rohstoffe aus Russland.

Doch je länger dieser Krieg dauert, je mehr Opfer er fordert, je mehr Zerstörungen und Leid und Hass er erzeugt, desto weiter wird er auch eskalieren, was sich vor allem in der Brutalität der militärischen Taktik und der Wahl der eingesetzten Waffen ausdrücken wird. Dabei ist heute der Begriff „Waffe“ weit gefasst und umfasst nicht nur konventionelle und nukleare Waffensysteme, sondern auch Energie- und Lebensmittel-Verknappung, soziale Konflikte, Vergewaltigungen, Bio-Kampfstoffe, Folter und andere Verbrechen, wie man sie bereits im Frühstadium dieses Kriegs feststellen muss.

Aufgeben kommt für Wladimir Putin nicht in Frage, gleich, wie schlecht sich die militärische Lage für ihn entwickelt. Der Mann ist besessen von dem, was er für seine Aufgabe und sein Lebenswerk hält – das Revival der Sowjetunion, die es zwar nicht mehr wie damals geben kann, die aber als „Sowjetunion 2.0“ zumindest ähnlich aussehen könnte. Dass dieses Unterfangen sehr unrealistisch ist, das ist nicht Putins Sorge.

Für die Ukraine und die Moral der Bevölkerung sind die momentanen militärischen Erfolge der ukrainischen Armee Balsam auf die geschundene Seele, doch muss man die Frage stellen, wie weit uns dieser Krieg bereits verroht hat, wenn wir uns darüber freuen, dass ein paar hundert junge, russische und zwangsverpflichete Männer von Bomben zerfetzt werden. Keiner dieser jungen Männer hat diesen unsäglichen Krieg angezettelt, jeder dieser jungen Männer hatte Mutter und Vater und Familie und Freunde, und jedes ausgelöschte Leben, natürlich auf der ukrainischen, aber auch auf der russischen Seite, ist ein Menschenleben zuviel, das dieser Krieg kostet. Auch, wenn man nicht aus dem Blick verliert, dass diese getöteten jungen Männer andernfalls selbst ukrainische Menschenleben ausgelöscht hätten, so ist und bleibt das Massen-Sterben und -Töten der Offenbarungseid der menschlichen Zivilisation.

Und bereits ganz am Anfang des Jahres wird deutlich, dass dieser Krieg noch lange weitergehen wird, dass er weiter hin- und herwogen wird, dass er weiter viele, viele Opfer fordern wird und dass die Welt ganz offensichtlich keinen anderen Weg als den hinein in die nächste große Weltkatastrophe kennt.

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