(Summer special 2022) – Putins Traum vom 1000jährigen Reich

Wladimir Putin hat seinen Großangriff auf die Ukraine minutiös vorbereitet, die europäischen Politiker zu „nützlichen Idioten“ gemacht und wird kaum noch zu stoppen sein.

Wer kann diesen Mann noch stoppen? Foto: DAVID HOLT from London, England / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

Bereits am 25. Februar 2022 war ziemlich klar, worauf Wladimir Putin hinaus will. Leider hat sich das genau so bestätigt.

(KL) – Das ganze Gerede um den Donbass, die sogenannten „Separatisten“, die seit 2014 in erster Linie russische Soldaten sind, die zwar keine Uniform getragen haben, aber Putins Krieg geführt haben, der in diesen Jahren rund 14.000 Todesopfer gefordert hat, war Augenwischerei. Von Anfang an hatte Putin geplant, die Geschichte zu revidieren und diejenigen Staaten wieder unter russisches Joch zu werfen, die beim Zusammenbruch der UdSSR ihre Unabhängigkeit erklärt haben. Heute läuft der Angriff auf die ganze Ukraine, doch wird Putin es dabei nicht belassen. Ein Blick auf die Landkarte reicht, um zu sehen, wer nach der Ukraine im Fadenkreuz der Roten Armee stehen wird.

Die Würfel sind gefallen, Putin hat seine Maske fallen lassen und es herrscht offener Krieg in Europa. Der Einmarsch der Russen in der Ukraine ist, da sind sich alle einig, ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht, es handelt sich um einen Angriffskrieg. Es ist illusorisch zu glauben, dass uns dieser Krieg nicht in ganz Europa betreffen wird.

Ein Jahrhundert lang haben Wissenschaftler in der ganzen Welt versucht zu ergründen, wie es zu den beiden ersten Weltkriegen kommen konnte. Die Antwort auf diese Frage erleben wir heute in der Ukraine. Nach monatelangem Säbelrasseln ist die Situation jetzt eskaliert und die Sanktionen, die der Westen nun eilig verhängt, dürften Putin ebenso wenig beeindrucken wie eine Laus im Pelz des russischen Bären. Dankenswerterweise hat der Westen ja langfristig alle geplanten Sanktionen detailliert als Drohungen formuliert, was Russland in die Lage versetzte, sich selbst auf diese Sanktionen vorzubereiten.

Viele der zu Recht empörten Kommentare der westlichen Politiker zeigen allerdings, dass der Westen das Wesen der russischen Seele einfach nicht versteht. Wenn eine Annalena Baerbock trotzig erklärt, dass sich „viele russische Bürger für den Angriff auf die Ukraine schämen“ würden, dann zeigt das, dass sie nicht begreift, wie Russland tickt. Die russische Propaganda hat die Stimmung in Russland aufgeheizt, Horrorgeschichten über einen angeblichen „Genozid“ an den russischen Besatzern im Donbass, über angeblich abgeschlachtete Kinder und eine „Junta“ an der Macht in Kiew haben eine Stimmung im Land geschaffen, in der die allermeisten Russen das Gefühl haben, die Rote Armee würde sich für eine gerechte Sache engagieren.

In solchen Situationen ist es illusorisch zu glauben, der Westen könne die russische Bevölkerung durch Sanktionen zur Opposition gegen Putin aufwiegeln. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Russen in Krisenzeiten immer wie ein Mann um ihre jeweiligen Führer geschart, ob das nun der Tsar, Stalin oder heute Putin ist. Und wenn „Mütterchen Russland“ in Gefahr ist, dann kämpfen die Russen wie ein Mann und bis zum letzten Blutstropfen. Warum sollte das dieses Mal anders sein.

Besonders gefährlich wird die Situation dadurch, dass beide Seiten über Atomwaffen verfügen, die innerhalb von Minuten Moskau, aber auch alle europäischen Hauptstädte und Regionen treffen können. Ein „konventioneller“ Krieg ist kaum vorstellbar, denn der Westen hat nichts, was er den organisierten Roten Armee entgegenstellen könnte. Ein paar Hundert NATO-Soldaten im Baltikum, in Rumänien oder Bulgarien werden diese militärische Gewalt nicht aufhalten können und man muss sich darüber klar werden, dass gerade der „Masterplan“ von Wladimir Putin angelaufen ist, der, auch, wenn er immer das Gegenteil behauptet hat, nun die „UdSSR 2.0“ in die Wege leiten will. Wer immer militärisch ins Hintertreffen geraten wird, dessen Finger zittert bereits heute über dem roten Knopf, mit dem ein Atomschlag ausgelöst wird.

Dabei verursachen die Amerikaner ebenso viele Kopfschmerzen wie der russische Aggressor. Wie immer werden sich die Amerikaner weit weg von ihrem eigenen Land engagieren und die Schlacht um die Ukraine ist nichts anderes als die Schlacht zwischen Russland und den USA, bei der die Europäer nicht viel mehr als besorgte Zuschauer sind. Ein Atomschlag wäre das Ende des Europas, das wir kennen. Heutige Atomwaffen sind wesentlich mörderischer als die Bomben von Hiroshima und Nagasaki, und Europa würde einen solchen Atomschlag kaum überstehen.

Es wird so sein wie bei jedem Krieg. Jahrzehnte lang wird man rätseln, wie es dazu kommen konnte, und die Leidtragenden werden, wie immer, die Zivilbevölkerungen sein.

Doch wie kann man jetzt der Ukraine helfen? Mit Waffen und Armeen? Dass man nach dem russischen Angriff keine Rücksicht mehr auf rechtliche Bedenken oder den Umstand nehmen muss, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied ist, ist klar. Aber was bedeutet das? Dass der Westen riesige Truppenkontingente und Tausende Panzer in die Ukraine verlegt? Selbst das wäre schwierig, denn Putin hat bereits in den ersten Stunden seines Einmarschs ganze Infrastrukturen wie Flughäfen und Häfen bombardiert und zerstört und stolz verkünden lassen, dass die gesamte ukrainische Luftabwehr vernichtet worden sei. Somit können keine Einsatztruppen per Flugzeug in die Ukraine verlegt werden und auch die Kriegsschiffe in der Region können kaum noch zerstörte Häfen anlaufen. Durch die Lufthoheit über die Ukraine kann Russland auch konventionelle Truppen-Transporte in Richtung Ukraine unterbinden – militärisch ist die Ukraine bereits Stunden nach Beginn des Einmarschs nicht mehr zu retten.

Momentan kann der Westen eigentlich nur eines tun: Schleunigst Aufnahme-Strukturen für Millionen ukrainische Flüchtlinge schaffen, die gar keine andere Wahl haben, als zu versuchen, sich in Richtung Westen in Sicherheit zu bringen. Die Flüchtlingstrecks sind bereits unterwegs, selbst aus Kiew, wo die Rote Armee bereits am Stadtrand steht. Was immer der nächste Schritt der gegnerischen Parteien sein wird, er wird die Welt weiter in Richtung Abgrund treiben. Der 23./24. Februar 2022 ist ein Datum, das eines Tages in den Geschichtsbüchern stehen wird. Wenn es dann noch Geschichtsbücher gibt.

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