Radikalisierung: Frankreich versucht, den Djihad zu demystifizieren

Die französische Regierung versucht, mit einem Video junge Menschen zu überzeugen, nicht in den Djihad zu ziehen. Ob diese Botschaft in diesem Format ihre Zielgruppe erreicht, ist zweifelhaft.

Die Perspektive eines Islamischen Staats in diesem Format ist für radikalisierte Jugendliche attraktiver als das Video der französischen Regierung. Foto: Débora Cabral / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0

(KL) – Irgendetwas muss Frankreich ja nach den Attentaten von Paris machen. Doch ob die neue Site www.stop-djihadisme.gouv.fr/ tatsächlich die Zielgruppe erreicht, die so angesprochen werden soll, ist mehr als fraglich. Die Site, mit der junge Menschen vor der Radikalisierung und dem Auszug in den Djihad abgehalten werden soll, eignet sich wohl mehr dazu, das Gewissen französischer Beamter zu beruhigen – in den Vorstädten der französischen Metropole dürfte die Site eher Heiterkeit auslösen.

Das auf dieser Site veröffentlichte Video soll jungen Menschen, die sich im Dunstkreis von Anwerbern terroristischer Organisationen bewegen (was in vielen französischen „Cités“ auf so ziemlich jeden zutrifft), die Lust auf den Djihad nehmen. Hierfür verwendet das Video Bilder aus der IS-Propaganda, unterlegt mit Sätzen wie „Du wirst einsam und alleine und weit weg von zuhause sterben“ – doch scheint diese Aussage radikalisierte Jugendliche nicht davon abzuhalten, verblendet in den Heiligen Krieg zu ziehen, um dort als Märtyrer zu sterben. Was man nicht zuletzt am Ende der Geiselnahmen von Paris feststellen musste.

Technisch sind Site und Video gut gemacht, nur wird man das Gefühl nicht los, dass dort Beamte aus den französischen Eliteschulen etwas zusammengestellt haben, was ihnen Berater und andere Experten geraten haben – und wie sie sich vorstellen, dass man Jugendliche in den Vorstädten ansprechen muss. Die sich weder von dieser Site, noch von dem dort publizierten Video schocken lassen werden. Dass man im Djihad sterben kann, das wissen diese junge Menschen, die sich radikalisieren. Da nützt auch die angewandte Psychologie der Site wenig. So sind alle Bilder, mit denen jungen Menschen vorgegaukelt werden soll, dass der Djihad ein lohnenswertes Ziel darstellt, in Farbe gehalten, die Bilder, mit denen die Realität gezeigt werden soll, in Schwarzweiß. Am Rande zum Durchschaubaren. Und die Bilder von Leichen, die in Schluchten geworfen werden, von toten Zivilisten und verwundeten Kindern, die schocken radikalisierte Jugendliche nicht, im Gegenteil.

Diese Site und das Video sind genau so Propaganda-Instrumente wie die Videos, die der IS veröffentlicht. Genau diese Art der Kommunikation trägt aber auch dazu bei, Jugendlichen die Welt in Schwarzweiß zu präsentieren. Die gegen uns, das ist die sublimierte Botschaft auf dieser Site. Und das ist genau die Aussage, die auch die Anwerber von IS und Al-Kaida treffen. Du musst dein Lager wählen, suggeriert die Site der französischen Regierung diesen Jugendlichen, die in der französischen Gesellschaft von heute keine Chance haben – genau das sagen die Anwerber von IS und Al-Kaida diesen Jugendlichen auch. Nur haben die Anwerber von IS und Al-Kaida noch etwas anderes, was sie diesen Jugendlichen anbieten und was der französische Staat ihnen nicht bietet: Das Gefühl von Respekt, das Gefühl gebraucht zu werden und das Gefühl einer Perspektive. Auch, wenn sich diese Perspektive im vermeintlichen Paradies befindet.

Es würde wohl mehr Sinn machen, würde man darüber nachdenken, wie man diese Jugendlichen positiv und aktiv in die Gesellschaft einbinden kann. Sie zu bedrohen, wird sie nicht davon abhalten, den Weg der Radikalisierung zu gehen.

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