Realistische Einschätzung oder irrationale Angst?

Die Zeiten ändern sich. Pandemie, Krieg, wachsende Unsicherheit. Und laut einer Studie haben die Deutschen große Angst vor dem, was da jetzt kommen mag.

Ob man den Deutschen mit so einer Kommunikation das Vertrauen in die Zukunft zurückgibt, ist fraglich. Foto: Marcus Sümnick from Rostock, Germany / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das Hamburger „Opaschowski Institut für Zukunftsforschung“ hat eine repräsentative Umfrage durchgeführt, welche Zukunftserwartungen die Deutschen haben. Nach einer ähnlichen Studie vor Ausbruch der Covid-Pandemie führte das Institut jetzt eine zweite Studie durch, die eindeutig zeigt, dass sich die Angst quer durch die deutsche Gesellschaft zieht. Die Probleme sind nicht mehr kleinzureden und sollte die Politik nicht in der Lage sein, zumindest die gravierendsten Probleme zu lösen, stehen uns unruhige Zeiten ins Haus.

Die Problembereiche sind zahlreich – angefangen von der Sorge um die Wohnung (vor drei Jahren befürchteten 46 % der Befragten, keinen bezahlbaren Wohnraum mehr zu finden, 2022 ist dieser Wert auf 83 % (!) gestiegen), über steigende Gewalt und Vereinsamung in der Gesellschaft (Anstieg von rund 60 % auf 80 %) bis zur Geldnot (ebenfalls eine Sorge für 80 % der Befragten) – die Angst dominiert heute das Land.

87 % der Befragten befürchten, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgehen wird und das ist eigentlich keine „gefühlte“ Problematik, sondern eine Realität – erst letzte Woche zeigte eine andere Studie, dass sich 20 % der Bundesbürger keine Woche Urlaub pro Jahr leisten können.

Die verschiedenen Weltkrisen werden von den Menschen aufmerksam verfolgt und offenbar ist auch das Vertrauen in gesellschaftliche Eckpfeiler wie Politik und Wirtschaft in den Keller gerauscht. Und dass sich die Menschen angesichts dieser Krisen, von denen die meisten dazu noch höchst undurchsichtig sind, Zukunftsängste formulieren, ist leider keine irrationale Panikreaktion, sondern eine recht kühle Überlegung, wie es weitergehen könnte. Statt Antworten gibt es hierzu nur große Fragezeichen.

Dazu kommen sogar die Folgen des demographischen Wandels, eines Problems, das schon lange nicht mehr in den Schlagzeilen war. Speziell auf dem Land befürchten die Menschen die Vereinsamung und fehlende soziale Kontakte – 93 % der Befragten sehen dies als kommendes Problem.

Die steigende Gewalt, ob nun konkret oder verbal, wird ebenfalls immer belastender wahrgenommen. Vor der Pandemie betrachteten lediglich 51 % der befragten diese steigende Gewalt als Problem, heute sind es 79 % – ein Anzeichen dafür, dass der Umgang miteinander immer aggressiver und gewaltbereiter wird.

Die Studie zeigt ebenfalls, dass sich diese sehr konkreten Zukunftsängste nicht auf bestimmte Altersklassen oder soziale Schichten beschränken, sondern quer durch die gesamte Gesellschaft ziehen. Doch das Vertrauen in Politik, Wirtschaft und die Zukunft wird nicht von alleine zurückkommen. Die Unfähigkeit der weltweiten Politik, die aktuellen Probleme zu lösen, gehört zu den Dingen, die diese Ängste auslösen und weiter vertiefen. Dazu merken die Menschen, dass die zahlreichen Krisen nicht nur nicht gelöst, sondern täglich verschlimmert werden.

Ein wenig überraschend ist allerdings die Analyse des Instituts-Chefs Horst Opaschowski, für den die so massiv vorhandenen Zukunftsängste der Deutschen in erster Linie als Kommunikationsproblem betrachtet. So sagte der Zukunftsforscher der DPA, dass sich „Zukunftsängste ausbreiten, weil es der Politik bisher an beruhigenden Signalen, die Zuversicht verbreiten, mangelt“. In dem Zusammenhang bekommen auch die Medien ihre Kritik ab: „Es dominieren eher alarmistische Meldungen, die kaum Zukunftshoffnungen aufkommen lassen.“ Aber ob die Lösung der Zukunftsängste darin liegt, dass man den Menschen suggeriert, dass alles halb so schlimm ist, das ist mehr als fraglich. Es wäre vermutlich beruhigender für die Bevölkerung, könnte man erkennen, dass die Politik in der Lage ist, wenigstens eines der drängenden Probleme unserer Zeit zu lösen. Und das ist momentan leider nicht zu erkennen.

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