Realität und Wahrnehmung

Wir Deutschen sonnen uns in dem schönen Gefühl, Spitzenreiter im Bereich der Erneuerbaren Energien zu sein. Der Rest Europas betrachtet uns allerdings als die schlimmsten Umweltverschmutzer.

Braunkohle ist ein schlimm verschmutzender Energieträger, der im Abbau ganze Landstriche in Wüsten verwandelt. Foto: Haloorange / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das, was man selber von sich denkt, ist nicht unbedingt das, was andere von einem denken. In dieses Thema fällt auch die deutsche Energiewende, die nun mit der Entscheidungsvorlage zum schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle immer konkretere Formen annimmt. Doch während wir diesen Ausstieg aus der wohl die Umwelt am meisten belastende Energiequelle wohlwollend abnicken, schüttelt man im Ausland den Kopf – denn das endgültige Ausstiegsziel 2038 liegt in so weiter Ferne, dass selbst dieses Ausstiegsszenario zum Wettlauf gegen die Zeit wird. Wer wird schneller sein – der Ausstieg oder die irreparable Zerstörung der Umwelt?

Doch die nationale Nabelschau trügt. Der Rest Europas sieht uns gar nicht so grün wie wir selber. Im Ausland liest man die Nachrichten aus Deutschland anders. Dort heißt es nicht etwa „Großartig! Deutschland schaltet 2038 die Braunkohle ab!“, sondern man liest „Deutschland will die Umwelt weiter bis 2038 durch die Braunkohle zerstören“. Und das sind schon mal zwei grundlegend verschiedene Betrachtungsweisen.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir Deutschen uns völlig darüber täuschen, wie die deutsche Politik im Ausland bewertet wird. So denken wir in Deutschland immer noch, wie hätten Griechenland in der Finanzkrise durch großzügige Zahlungen „gerettet“. Erinnern Sie sich noch an die Schlagzeilen eines großformatigen medialen Toilettenpapiers: „Kein Euro mehr für faule Griechen!“. Doch im Ausland hat man sehr wohl bemerkt, dass Deutschland und deutsche Banken durch die Griechenlandkrise nicht etwa Geld verloren oder gespendet haben, sondern dass Deutschland durch diese „Hilfen“ einen Gewinn von 70 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Und während wir Deutschen uns als „Retter Griechenlands“ betrachtet, sieht uns der Rest Europas als den „Totengräber der europäischen Solidarität“.

Hat da jemand von „Fake News“ gesprochen? Mittlerweile sind wir wohl alle Opfer von „Fake News“, doch liegt das nicht etwa an den bösen Medien und ruchlosen Journalisten, sondern an den Falschmeldungen, die von öffentlicher Seite in die Welt gesetzt werden.

Und genau so verhält es sich nun mit dem Ausstieg aus der Braunkohle. Ist der Termin für die Abschaltung umwelttechnisch überhaupt sinnvoll? Ist 2038 nicht viel zu spät? Ist dieser schrittweise Übergang nicht der Versuch, die finanziellen der heute schon laut jammernden RWE und ihrer Aktionäre milde zu stimmen? Im Ausland stellt man sich ganz andere Fragen, wie: „Zerstört das ach so grüne Deutschland bis 2038 die gesamte europäische Umwelt?“

Es wird Zeit, im Europa des Jahres 2019 öfters über die Landesgrenzen zu schauen. Hierfür brauchen wir mehr europäische Medien, besser ausgebildete und mehrsprachige Journalisten und vor allem, eine andere, ehrlichere Kommunikation seitens der öffentlichen Stellen. Wer die Medien bereits mit unzutreffenden, beschönigenden und irreführenden Informationen füttert, der darf sich hinterher nicht beschweren, wenn diese auch öffentlich werden.

Man kann es drehen, wie man will – es gibt keine Alternative zum Zusammenwachsen Europas. Je offener und ehrlicher das passiert, desto mehr werden sich die Menschen wieder mit Europa identifizieren können.

7 Kommentare zu Realität und Wahrnehmung

  1. Es war schon immer schwierig zu entscheiden, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist. Warum haben die anderen Länder Europas eigentlich keine berichtenswerten Energieprobleme sondern nur die dauerblöden Deutschen?

    • Eurojournalist(e) // 1. Februar 2019 um 12:34 // Antworten

      Oh, die anderen Länder haben noch viel grössere Energieprobleme. Die Franzosen werden sich wundern, wenn es daran geht, 57 AKWs rückzubauen und zu schauen, wo man deren Abfälle sicher für die nächsten 25000 Jahre lagert… aber überall dort, wo die Energieversorgung in den Händen von staatlichen (Quasi-)Monopolisten liegt, läuft die Diskussion anders. Allerdings könnten wir uns in Deutschland auch mal abgewöhnen, in allen Bereichen “Weltmeister” sein zu wollen und uns selbst als den Massstab aller Dinge zu betrachten. Fehler werden überall gemacht, in letzter Zeit besonders viele…

  2. Aha.Interessant aus ihrer Feder.

    Ich persönlich bin froh, dass Merkel dem Mut zum Atom-Aus hatte. Uns allen zuliebe. Auch das Kohle-Aus ist Stand heute mutig und keineswegs mal schnell gemacht. Ich bin neulich wieder an Cattenom vorbeigefahren. Dann berichten Sie doch mal, wie Da die Lage ist anstatt über den Mut der deutschen Energiepolitik zu Kalauern.

    Da muss nichts zusammenwachsen.

    • Eurojournalist(e) // 3. Februar 2019 um 8:11 // Antworten

      In dem Artikel wird weder der Atomausstieg, noch der Kohleausstieg kritisiert. Der Artikel spricht von der unterschiedlichen Wahrnehmung in verschiedenen Ländern. Und wir könnten lazngsam mal aufhören, uns als “Weltmeister für alles” selbst zu bejubeln. Deutschland steht an der Schwelle einer heftigen Rezession und dieses “Weltmeister-Gehabe” dürfte uns relativ schnell vergehen…

  3. Es geht nicht um Weltmeister, sondern um den notwendigen Mut zu neuen Wegen. Fragen Sie doch mal die Presse, warum die Wahrnehmung eine andere ist. Egal ob Rezession oder nicht.

    • Eurojournalist(e) // 5. Februar 2019 um 12:02 // Antworten

      Offenbar habe ich mich in dem Artikel schlecht ausgedrückt, obwohl der Titel eigentlich ein Hinweis sein sollte. Hier geht es darum, dass zwischen unserer eigenen Wahrnehmung der deutschen Politik und der Wahrnehmung dieser deutschen Politik im Ausland Welten liegen. Umgekehrt ist das nicht anders. Es gibt wohl auch kein anderes Land, in dem nach einer Papstwahl die Headline am nächsten Morgen lautet “Wir sind Papst!”. Nochmal – hier geht es nicht um eine inhaltliche Kritik an der deutschen Politik, sondern nur um die WAHRNEHMUNG.

  4. Die Headline kenne ich noch gut. Nur dass der Veröffentlicher eben nicht fürs Land steht.
    Genausowenig steht der englische Boulevard für die Mehrheit der britischen Bevölkerung.
    Und, und, und …

    Wie soll den was positiv zusammenwachsen, wenn solch ein Mist geschrieben wird?
    Berichten Sie doch besser über Inhalte, mögliche Wege und (Teil) Erfolge.
    Aber nicht über „WAHRNEHMUNGEN“ ….

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