Regierungschef von Macrons und Le Pens Gnaden

Michel Barnier, der überraschend zum Premierminister Frankreichs ernannt wurde, versucht sich in Schadensbegrenzung. Doch dafür ist es nun zu spät – es riecht nach Ärger.

Michel Barnier ist nicht etwa der Premierminister der Franzosen, sondern der Erfüllungsgehilfe von Macron und Le Pen. Das wird nicht lange gutgehen. Foto: European Parliament from EU / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Wie lange und wie glücklich Michel Barnier in seinem neuen Job als Frankreichs Regierungschef wird, liegt in erster Linie am Wohlwollen der rechtsextremen Parteichefin Marine Le Pen. Und auch seinen obersten Boss Emmanuel Macron sollte Barnier nicht allzu sehr ärgern, denn das könnte ebenfalls seine Amtszeit verkürzen. Nach einer Antrittsrede, in der er brav Macrons Botschaften an die Franzosen darlegte, versucht sich der 73jährige nun in Souveranität. Doch nach dem gemeinsamen Anschlag mit Präsident Macron auf die französische Demokratie, sind Barniers Versuche, sich als handelnden Premierminister darzustellen, bereits jetzt zum Scheitern verurteilt. Heute kommt es bereits zu den ersten Großdemonstrationen gegen die „Macronie“, die sich wie eine Gruppe Ertrinkender an die Macht klammert und die Chancen, dass diese Demonstrationen relativ gewalttätig werden, stehen leider hoch. Denn die Franzosen sind es leid, von der Pariser Machtkaste ein ums andere Mal abgezockt zu werden.

Ich bin bereit, auch Minister aus dem linken Spektrum in meine neue Regierung zu nehmen“, verkündete Barnier gestern, nur dazu wird es wohl kaum kommen. Welcher linke Politiker würde sich entblöden, in eine rechte Regierung unter Kontrolle der Rechtsextremen einzusteigen, damit sich die bereits abgewählte rechte „Macronie“ noch etwas länger im Sattel halten kann? Sollten sich linke Politiker finden, die aus Gründen des persönlichen Ehrgeizes in die Regierung Barnier einsteigen, so endet in dem Moment ihre politische Karriere.

Barnier versucht den Eindruck zu erwecken, als habe er das Heft des Handelns in der Hand, doch das hat er nicht. Seine politischen Freunde sind weit davon entfernt, eine Mehrheit im Parlament zu haben, und sollte diese Regierung irgendetwas versuchen, was dem rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National und dessen Chefin Marine Le Pen nicht passt, dann wird Barnier sofort über eine Vertrauensfrage gestürzt werden. Folglich werden Macron/Barnier nur Dinge anregen, die von den Rechtsextremen mitgetragen werden können, was das RN-ex-FN zur eigentlichen Macht in Frankreich macht. Und das bedeutet, dass Barnier absolut keinen Handlungsspielraum hat – er wird RN-ex-FN-kompatible Politik machen müssen, da ansonsten seine Amtszeit auch schon wieder vorbei ist.

Bei der Amtsübergabe durch seinen Vorgänger Gabriel Attal versuchte sich Barnier an einer „Churchill-Rede“ und kündete mehr oder weniger an, dass die Franzosen in nächster Zeit „Blut, Schweiß und Tränen“ erwarten, da es schlecht um das Land stünde. Das allerdings ist eher eine Macron’sche Botschaft an das Volk, mit dem der Herrscher ja gewöhnlich nicht mehr direkt kommuniziert.

Angesichts der Machtverhältnisse in der Nationalversammlung ist klar, dass Barnier nicht etwa Regierungschef sein wird, sondern sich zur Marionette von Emmanuel Macron und Marine Le Pen macht. Will er seinen Job behalten, muss er diese beiden zufriedenstellen und nicht etwa die Millionen französischer Bürger.

Was immer nun passiert, beispielsweise bei den heute beginnenden Demonstrationen, hat Emmanuel Macron zu verantworten, denn er ist es, der Frankreich ohne Not in dieses unsägliche Chaos gestürzt hat. Barnier wird die „Macronie“ allerdings auch nicht retten können, die gerade die Macht ohnehin an die Rechtsextremen abgetreten hat. Wie bequem für Marine Le Pen – ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen, bestimmt sie ab sofort die französische Politik! Und die Franzosen merken plötzlich, dass ihr Präsident gar nicht so genial ist, wie er immer behauptet, sondern dass er ein mittelmäßiger Zocker ist, der sich auf ganzer Linie verzockt hat. Doch ein echter Zocker steht, wenn er verloren hat, vom Tisch auf und geht. Macron hingegen bleibt. Wie lange noch, steht in den Sternen.

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