Regionalwahlen in Frankreich

Am Montag lief die Frist ab, zu der die Kandidaten und Kandidatinnen für die am 20. und 27. Juni stattfindenden Regionalwahlen eingereicht werden mussten. Selten war eine Wahl offener als diese Regionalwahl.

Die Regional- und Departementswahlen im Juni versprechen Spannung bis zum letzten Moment... Foto: Rama / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0fr

(KL) – Das politische Frankreich weiß momentan nicht so richtig, wohin die Reise geht. Die wichtigen Regional- und Departementswahlen, die am 20. und 27. Juni stattfinden, sind der letzte echte Test vor dem französischen Superwahljahr 2022, wenn sowohl der Präsident als auch das Parlament, die Nationalversammlung, neu gewählt werden. Eine Analyse der zehn Listen, die in der deutschen Nachbarregion Grand Est antreten, zeigt das ganze Dilemma der französischen Politik auf.

Beginnen wir im rechten Spektrum. Der Rechtsextreme Florian Philippot, der bei der letzten Wahl noch als Kandidat des Front National nach dem ersten Wahlgang vorne lag, tritt nun für die rechtsextreme Splittergruppe „Les Patriotes“ an, die keine Rolle spielen wird, sondern höchstens der eigentlichen Liste des Front National, der sich inzwischen Rassemblement National nennt, ein paar Stimmen abjagen kann. Allerdings liegt die von Laurent Jacobelli angeführte Liste des Rassemblement National in den Umfragen momentan vorne, was die Befürchtung schürt, dass die Region Grand Est zu den ersten zählen könnte, die den Rechtsextremen in die Hände fallen könnte.

Wenn man sich nun von rechts nach links bewegt, kommt die Liste „Unser Land“, ein Sammelbecken für Autonomisten und Regionalisten, die nach wie vor für die Loslösung des Elsass aus der ostfranzösischen Großregion plädieren. Doch mehr als Achtungserfolge sind hier auch nicht vorhersehbar.

Bei den Konservativen wird es zu einem heftigen Armdrücken zwischen Amtsinhaber Jean Rottner (Les Républicains) und Ministerin Brigitte Klinkert kommen, die unter der schwammigen Bezeichnung „Majorité Présidentielle“ (Präsidiale Mehrheit) antritt. Dabei handelt es um nichts anderes als die Macron-Bewegung „La République en marche“, die allerdings inzwischen derart abgewirtschaftet hat, dass sich die Kandidaten der Regierungspartei nicht mehr trauen, unter der eigenen Fahne anzutreten. Amtsinhaber Jean Rottner („Les Républicains“) kämpft um seine Wiederwahl und hat bereits ausgeschlossen, zwischen den beiden Wahlgängen eine Fusion seiner Liste mit der von Brigitte Klinkert anzustreben. Somit kämpfen zwei Konservative um die gleiche Wählerschaft, was am Ende beiden schaden dürfte.

Je weiter man nach „links“ blickt, desto trauriger wird die politische Landschaft. Hatten vor nicht allzu langer Zeit viele potentielle „linke“ Wähler gehofft, dass es eine Art „linker Koalition“ geben könnte, um den Durchmarsch der rechtsextremen zu stoppen, so sehen sie sich heute enttäuscht. Das, was früher einmal die PS war (die noch 2017 den Präsidenten und die Mehrheit im Parlament und im Senat stellte), tritt unter dem Namen „L’Appel inédit“ („der neue Appell“) an, angeführt von der ehemaligen Ministerin Aurélie Filippetti. Dies sollte eigentlich eine Art Sammelbecken für linke Wähler werden, doch das wird sich nicht verwirklichen. Die Grünen (EELV) schicken mit Eliane Romani an der Spitze eine eigene Liste ins Rennen und ganz weit links gibt es noch die Liste von „Lutte ouvrière“, einer Splittergruppe, die darum kämpfen wird, wenigstens 1 % der Stimmen zu erhalten.

Dazu kommen noch zwei Listen, die niemand kennt, „Agir pour le plus subir“ (Handeln, um nicht mehr erdulden zu müssen) eines gewissen Adil Tyane und „Notre monde Grand Est“ (Unsere Welt, der Grand Est) eines ebenso unbekannten Jean-Philippe Golly.

Das Bild, das diese Kandidaten und Kandidatinnen abgeben, ist erschreckend. Nicht nur, dass man beim Ansehen der verschiedenen Listen das Gefühl hat, dass sich der eine oder andere anderweitig gescheiterte Politiker versucht, noch ein warmes Plätzchen zu sichern, dazu stellt man fest, dass sich bis auf die rechtsextremen alle Parteien in Auflösung befinden. Weder gibt es klare politische Profile, noch klare Programme und offenbar haben es die früheren Volksparteien immer noch nicht begriffen, dass sie weit, weit entfernt von den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger unterwegs sind. Die einzigen, die klar erkennbar sind, sind die rechtsextremen und vielleicht erklärt das auch, warum sie in den Umfragen vorne liegen.

„Zauberlehrling“ Emmanuel Macron hat nach den vier Jahren seiner Amtszeit zwar eine sehr maue Bilanz vorzuweisen, aber eines hat er geschafft: Er hat die früheren Volksparteien zum Implosion gebracht. Doch da seine eigene Partei zu schwach aufgestellt und zu sehr auf seine Person fixiert war, profitiert nicht etwa „La République en Marche“ vom Zerfall der traditionellen Politik-Landschaft, sondern das Rassemblement National. Die extrem schwache Regierung in Paris hat dazu dafür gesorgt, dass der seit 2002 geltende Wahlschlüssel „Alles, nur nicht der Front National“ seinen Schrecken verloren hat. Heute stellen sich viele Beobachter die Frage, ob die Rechtsextreme Marine Le Pen im Falle eines Wahlerfolgs 2017 Frankreich mehr Schaden zugefügt hätte als Emmanuel Macron und seine von ihm selbst so bezeichnete „Amateur-Regierung“.

Die Regional- und Departementswahlen im Juni sind der Auftakt zu einem Szenario, in dem sich am Ende Frankreich mehr oder weniger ungewollt in die Hände der Rechtsextremen begibt – nicht etwa, weil die Franzosen plötzlich Faschisten geworden sind, sondern weil es keine glaubwürdigen Alternativen mehr gibt. Und das sind alles andere als positive Aussichten…

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