Regionen: Die französische Regierung macht Ernst

Die Reduzierung der französischen Regionen von 22 auf 11 oder 12 nimmt Formen an – die Proteste sind allerdings vorprogrammiert.

Eine solche Karte jagt in Ostfrankreich vielen noch kalte Schauer über den Rücken. Foto: F.E. Bilz / Louis Gerstner Leipzig, 1905 / Wiki Commons

(WB) – Eine Gebietsreform in Frankreich war schon lange fällig. Dazu war sie ja auch Bestandteil der politischen Ziele der französischen Regierung. Ziel ist es, die Gebietsverwaltungen zu straffen, administrative Endlosschleifen zu kappen und damit natürlich auch Geld zu sparen. Aufgrund der hohen regionalen Identifikation in Frankreich dürften sich aber die Widerstände schnell formieren.

Wie das „neue Frankreich“ im Osten des Landes aussehen wird, ist noch nicht ganz klar. Ebenso wenig wie die Frage, ob es künftig 11 oder 12 neue „Superregionen“ geben wird. In der von der Kommission Balladur vorgeschlagenen Version mit 11 Regionen würde das Elsass mit Lothringen zusammengelegt, wodurch eine Großregion entstehen würde, in der Städte wie Straßburg, Metz und Nancy um Budgets und Bedeutung kämpfen würden. Diese neue Region würde den Namen „Elsass-Lothringen“ tragen, einen Namen, der nicht nur gute Erinnerungen weckt.

Ein anderer Vorschlag zeichnet die Karte Frankreichs mit 12 Regionen auf, wobei diese Variante eine „Superregion Champagne-Ardennes-Elsass-Lothringen“ vorsieht, wodurch auch Städte wie Reims oder Charleville-Mézières in die gleiche Region wie das Elsass rutschen würden. Ob 11 oder 12 Regionen – es ist schwer vorstellbar, dass sich die Menschen in diesen Regionen für diese Neuorganisation ihrer Regionen erwärmen können.

Immerhin, am 7. April letzten Jahres lehnten die Elsässer ja bereits die Zusammenlegung der beiden elsässischen Departements ab, wobei in diesem Zusammenhang bereits die kulturellen Unterschiede zwischen Oberelsass und Unterelsass und die Konkurrenz zwischen den Städten Mulhouse, Colmar und Straßburg problematisch waren. Was die Vorstellung, dass es einfacher wird, wenn man sich auch mit Metz, Nancy oder Reims auseinandersetzen muss, zweifelhaft erscheinen lässt.

Die Pläne der Gebietsreform setzen voraus, dass sich die Mentalitäten in Frankreich ändern. Denn stärker als in anderen Ländern sind die Franzosen sehr mit ihrer Region verbunden. Zwischen benachbarten Regionen herrscht oft ein scharfer Wettbewerb, der durch eine übergestülpte Verwaltungsstruktur kaum beendet werden dürfte – im Gegenteil. Künftig dürfte es innerhalb der neuen Regionen ein Hauen und Stechen um verfügbare Budgets geben und zwar zwischen Städten, die es nicht gewohnt sind, andere Oberzentren neben sich zu dulden.

Man muss sich daran erinnern, dass eines der größten Hindernisse für die letztes Jahr geplante Fusion der elsässischen Verwaltungen die Unmöglichkeit war, Sitze von Verwaltungen und Zuständigkeiten zwischen den drei elsässischen Städten Mulhouse, Colmar und Straßburg aufzuteilen. Mit dem Selbstbewusstsein als Hauptstadt des Elsass, Europas und der Weihnacht war für Straßburg völlig klar, wie diese Aufteilung auszusehen hatte: alles nach Straßburg. Doch das wird nicht mehr funktionieren, wenn die Verhandlungspartner Metz und Nancy statt Mulhouse und Colmar heißen.

Die Regierung Valls startet damit eine „Französische Revolution 2.0“ – denn die Diskussionen in Ostfrankreich unterscheiden sich kaum von denen in anderen Regionen, in denen sich die Menschen ebenfalls in Strukturen wiederfinden, die weder natürlich gewachsen sind, noch eine emotionale Affinität auslösen können.

Dennoch ist das Vorgehen der französischen Regierung mutig und richtig. Die französische Verwaltung verwaltet in vielen Bereichen vor allem sich selbst, Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Ebenen sind nicht immer klar abgegrenzt, vieles funktioniert nicht reibungslos. Stattdessen tummeln sich Heerscharen von Beamten in den gleichen Fachbereichen, ohne das dieses Heer des öffentlichen Dienstes das Leben der Menschen besser oder effizienter machen würde.

Regierungschef Valls weiß, dass diese Gebietsreform in Frankreich immer unpopulärer werden wird, je näher sie konkret rückt. Das ist mutig und verdient Anerkennung. Denn die geplanten Einsparungen von 50 Milliarden Euro im französischen Haushalt kann Valls nicht dadurch erreichen, dass er nichts tut. Also packt er das Projekt an, das zwar die größten Widerstände, aber auch die größten Potentiale bietet.

Doch eine Herzensangelegenheit dürfte eine Fusion Elsass-Lothringen nicht werden. Ob mit oder ohne Champagne-Ardennes (eine Region, die kulturell immer Belgien näher stand als dem Elsass jenseits der Vogesen) – die Elsässer und Lothringer werden nicht begeistert sein. Ob es dann auch in Ostfrankreich Demonstrationen der «Bonnets rouges» geben wird?

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