Reise ins Herz Frankreichs (2) – Das Atom spaltet nicht…

Kaum erreicht man, vom Oberrhein kommend, die Loire, erwartet einen das AKW Belleville. Hm. Foto: Eurojournalist(e)

Sommerserie – Diese Serie ist 2015 erschienen, doch da sie selbst nach neun Jahren immer noch viele Leserinnen und Leser hat, veröffentlichen wir sie erneut. Hinweis: In diesen neun Jahren hat sich Frankreich stark verändert. Insofern kann man diese Serie fast wie ein Zeitdokument lesen.

(1. September 2015, KL) – Wenn man sich vom Oberrhein kommend und das Burgund durchquert habend dem Herzen Frankreichs nähert, erreicht man die Loire auf Höhe eines hübschen Örtchens mit einem noch hübscheren Namen – Charité-sur-Loire, die „Wohltätigkeit an der Loire“. Nur wenige Kilometer weiter kommt ein Ort, der einen ebenso hübschen Namen trägt, Belleville, „die schöne Stadt“, doch hier warten zwei riesige Kühltürme und ein AKW auf den Reisenden. Was auf uns vom Oberrhein, die mit der permanenten Gefahr von Fessenheim leben, bedrohlich wirkt, wird hier ganz anders betrachtet – nicht als ein Ort der Kernspaltung, sondern als ein Ort des nationalen Zusammenhalts.

In einem Café fragen wir den Inhaber François, wie es sich hier in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks lebt. Er zuckt mit den Schultern und sagt „Es ist eben da. Dafür zahlen wir aber auch viel weniger für Strom als ihr Deutschen.“ Und dann wendet er sich wieder seinen anderen Gästen zu, die vor dem Mittagessen ein Gläschen roten Burgunder oder weißen Loire-Wein trinken. Was eben zum Tagesablauf dazu gehört und weitaus mehr als ein Stereotyp ist.

Im Tabakladen in Briare, dort, wo Gustave Eiffel am Bau der einzigartigen Kanalbrücke mitgewirkt hat, die das Kanalsystem Nordfrankreichs mit dem Südfrankreichs verbindet, wobei Schiffe über eine Kanalbrücke über andere Kanäle geleitet werden, bestätigt man den Eindruck. „Wir sind unabhängig in der Stromversorgung“, sagt man uns, „und überhaupt, wir haben in Frankreich noch nie Atomunfälle gehabt!“ Diese Unabhängigkeit entspricht der französischen Seele. Der Betreiber und Staatsmonopolist EdF ist eben ein französisches Unternehmen, das französischen Atomstrom für französische Unternehmen und Haushalte produziert. Made in France. Deshalb kann Atomkraft gar nicht so schlecht sein, wie die Grünen immer behaupten. Dagegen zu sein, ist geradezu unfranzösisch.

Immerhin ist das Netz der französischen Atomkraftwerke auch an der Loire so dicht, dass es bei einem größeren Atomunfall ziemlich wahrscheinlich zu einer Kettenreaktion käme. Denn kaum hat man Briare hinter sich gelassen, kommt auch schon das nächste AKW, Dampierre. Und weiter am Lauf der wunderschönen Loire kommen noch Saint Laurent und Chinon. Sollte eines dieser AKWs eines Tages explodieren und würden in der Folge alle AKWs an der Loire hoch gehen, dann wäre das zumindest eine rein französische Kettenreaktion. Made in France.

Als erster Eindruck der Reise ins Herz Frankreichs hätten wir uns beruhigender Eindrücke gewünscht. Doch morgen steht etwas ganz anderes auf dem Programm – die französische Grandezza. Schlösser, Prunk und die ganze Größe der bourbonischen Lilie. Eindrücke, die so ziemlich das Gegenteil dessen sind, was uns die AKWs entlang der Loire vermitteln.

AKWs sind nicht die einzige Ingenieursleistung Frankreichs - in Briare hat man einen Kanal über andere Kanäle gebaut... Foto: Eurojournalist(e)

AKWs sind nicht die einzige Ingenieursleistung Frankreichs – in Briare hat man einen Kanal über andere Kanäle gebaut… Foto: Eurojournalist(e)

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