Rettet die deutsch-französische Großregion Europa?

Spät sind sie alle aufgewacht, aber – sie sind aufgewacht. Nach wochenlanger Funkstille und Alleingängen startet die Notfall-Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland. Und andere machen auch gleich mit.

Dass die Kooperation in der deutsch-französischen Großregion wieder losgeht, könnte eines Tages die EU retten... Foto: Baden de / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Seien wir ehrlich, die Europäische Union versagt in der aktuellen Krise auf ganzer Linie. Die europäischen Beamten schauen mehr oder weniger tatenlos zu, wie ganze Landstriche Norditaliens und Ostfrankreichs zu Märtyrer-Regionen werden. Reflexhaft pumpen sie Fabel-Summen in ein völlig marodes, korruptes und ineffizientes Finanzsystem, das nicht viel mehr als ein riesiges Kasino ist, in dem gezockt und viel verloren wird. Die europäische Antwort auf die Corona-Krise ist es, 750 Milliarden Euro in die Banken zu stecken, da bleibt leider nichts mehr übrig, um den Menschen in den Regionen zu helfen, die gerade einen Albtraum erleben. Die EU schaut zu, wie kommunistische Länder wie China, Kuba oder Venezuela trotz aller ihrer eigenen Probleme Italien helfen. Wir füllen währenddessen lieber die Taschen von Spekulanten. Aber – es gibt auch Positives!

Seit dem Wochenende läuft ein Band der deutsch-französischen Solidarität zwischen Saarbrücken und Lörrach, zwischen Sarreguémines und Saint-Louis. Die drei Bundesländer entlang der Grenze, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland nehmen jeweils 10 schwerkranke Covid-19-Patienten aus dem Elsass auf, die besondere Intensivpflege brauchen. Dadurch können die völlig überlasteten Krankenhäuser in Mulhouse und auch in Straßburg neue Patienten aufnehmen, was angesichts des prognostizierten Anstiegs der Fallzahlen in den nächsten Tagen alles andere als eine symbolische Geste ist.

Dabei sah es in den letzten Wochen eher danach aus, als müsse man die deutsch-französische Zusammenarbeit erst einmal zu den Akten legen – die einseitig beschlossene und den französischen Nachbarn nicht einmal mitgeteilte Grenzschließung ist ein Trauma, das es zu überwinden gilt, das aber auch tief sitzt. Doch nun haben Winfried Kretschmann (BW, Die Grünen), Malu Dreyer (RP, SPD) und Tobias Hans (SA, CDU) gemeinsam mit den Präsidenten der Region Grand Est Jean Rottner und der beiden elsässischen Departements Haut-Rhin (Brigitte Klinkert) und Bas-Rhin (Frédéric Bierry) und vielen anderen in den verschiedensten Verwaltungen die Idee der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft wieder mit Leben behaucht.

Während Europa gerade völlig versagt, überwindet man an Rhein und Saar gerade wieder die Grenzen, die man zuvor geschlossen hat. Die Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern auf beiden Seiten des Rheins war zwar bereits seit zwei Wochen eine Realität zwischen Mulhouse und Freiburg, dank einer Initiative der Ärzteschaft, allerdings wollten die Ärzte die gegenseitige Hilfe nicht an die öffentliche Glocke hängen. Nun hat die Politik nachgezogen und dafür kann man nicht dankbar genug sein. Denn die Erfahrung, die wir in dieser unwirklichen Situation machen, beweist, dass dort, wo sich die Menschen begegnen, also in den Grenzregionen, starke Verbindungen gewachsen sind. Und an die hat man sich nun erinnert. Zum Glück.

Die Geste der drei Bundesländer ist hoch einzuschätzen, denn auch in Deutschland explodieren die Covid-19-Fälle und man erwartet eben nun bereits für die kommenden Tage einen erneuten, starken Anstieg der Infektionen. Hier wird jetzt deutlich der Wille zur Gemeinsamkeit manifestiert und das Beispiel scheint Schule zu machen. Auch Luxemburg und die Schweiz haben sich bereiterklärt, an dieser Kette der Solidarität mitzuwirken.

Wenn hier das „Europa der Regionen“ doch wieder in Fahrt kommt, dann ist dies nicht das Verdienst von Brüssel oder einer der anderen, schwerfälligen Institutionen, sondern das Verdienst der Menschen vor Ort. Die mit hohem Einsatz daran arbeiten, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit und die europäische Idee von Menschen zerstört sind, mit denen man sich nach dieser Krise zusammensetzen muss. Denn eines ist klar – so großartig auch die Zusammenarbeit der Krankenhäuser in der Grenzregion ist, diese wird nicht über das Versagen der EU hinwegtäuschen können. Der Satz von Emmanuel Macron könnte zu einem geflügelten Wort werden: „Der Tag danach wird nicht wie der Tag davor werden.“

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