Rheinoper in Straßburg: Gnade, die mächtige Ohnmacht

„La Clemenza di Tito“ oder die Gnade des Kaisers Titus, die letzte Oper von Mozart, in der Rheinoper Straßburg in der Regie von Katharina Thoma

Die in Straßburg aufgeführte Oper heißt wie das Denkmal von Giovanni Battista Comolli in Varenna. Foto: Geobia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(Von Michael Magercord) – Die Macht der Mächtigen, ihre Bürde und Verantwortung, aber auch ihren Reiz und ihre Wirkung auf die Persönlichkeit des Ausübenden läßt sich von den Machtlosen und Ohnmächtigen kaum verstehen. Umgekehrt werden auch die Mächtigen sich nur selten in die Erleider ihres Tuns hineinversetzen können. Und doch, es gibt eine Form der Machtausübung, die eine Brücke baut: Es ist die Gnade, diese Ohnmacht des Mächtigen vor dem, was doch Recht sein sollte.

Um diese Form der Machtausübung geht es in der letzten Oper, die Mozart der Welt hinterlassen: Die Gnade des Titus. Sie war ein Auftragswerk zur Huldigung eines Mächtigen, denn anläßlich der Krönung des Habsburgers Leopolds II. zum böhmischen König wurde sie in Prag uraufgeführt. Um den absolutistischen Herrscher an die edle Gabe der Vergebung zu gemahnen? Die Handlung jedenfalls läßt das vermuten: Der römische Kaiser Titus vergibt darin seinen einstigen Freunden, die sich zu einer Intrige gegen ihn verbündet hatten, um den Kaiser zu beseitigen, ihre Niedertracht.

Doch vielleicht ist bei diesem Gnadenakt gegenüber den potentiellen Terroristen gar nicht Großmut der Auslöser, sondern die Einsamkeit des Mächtigen. Während um ihn herum Emotionen und Leidenschaft regieren, bleibt er davon unberührt und kann keine echte menschliche Beziehung zustande bringen. Nur mit diesem Akt kann er sich ein Allmächtiger noch in der Illusion eines aufrichtigen Gefühls zu anderen wiegen. Katharina Thoma, die in der Straßburger Inszenierung Regie führt, formulierte die Frage so: Kann eine Gesellschaft, sobald man darin universell für alle geltende Regeln einfordert, schuldig gewordenen überhaupt noch die Chance einräumen, sich wieder in diese Gesellschaft einzugliedern? Spätestens seit der Prophet Mohamed auf dem Titel der jüngsten Ausgabe von Charlie Hebdo mit den Worten „Alles ist vergeben“ erschien und neben wütenden Reaktionen auch Ratlosigkeit erzeugte, zeigt sich, wie missverständlich Gnadenakte weiterhin sein können.

Mozart hatte es da einfacher. Er wollte einfach eine „echte Oper“ auf die Bühne bringen, mit allem, was dazu gehört. Sein Librettist Caterino Mazzolo hat das perfekte Drehbuch dafür geliefert: Arien, Duos und Chöre ohne langes instrumentales Gezausel zwischendrin, genauso wie in der guten alten „opera seria“, aber eben verbunden mit einer richtigen Handlung aus Intrigen und Leidenschaft. In der Rheinoper wird das Gesamtkunstwerk von einer bestens eingespielten Damenmannschaft in den machtvollen Führungspositionen bei Regie, Bühnenbild und Kostümen in Szene gesetzt, was aber sicher nicht in der Gnade einer Frauenquote seine Ursache hat. Und der Mann mit dem Taktstock ist noch ein Mann, mit Andreas Spering steht ein ausgewiesener Händel-Kenner und somit der „opera seria“ am Pult des Mülhausener Symphonieorchesters.

Strasbourg – Opéra :
Fr 6. Februar, 20.00
So 8. Februar, 15.00
Di 17. Februar, 20.00
Do 19. Februar, 20.00
Sa 21. Februar, 20.00

Mulhouse – La Filature :
Fr 6. März, 20.00
So 8. März, 15.00

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