RIC oder RIP?

Klimaschutz in Frankreich - ein Referendum soll es richten. Aber kein „Référendum d’initiative citoyenne“, sondern ein „Référendum d’initiative présidentielle“…

Kommt es zu einem Referendum für einen Verfassungszusatz für den Klimaschutz? Foto: Ivan Radic / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Frankreichs Präsident Macron hat am letzten Montag vor dem versammelten Klima-Bürgerrat („Convention Citoyenne pour le Climat“) angekündigt, die Bürger und Bürgerinnen des Landes in einem Referendum darüber entscheiden zu lassen, ob der Klimaschutz als Staatsziel in die nationale Verfassung aufgenommen werden soll.

Der Klima-Bürgerrat wurde vom Präsidenten im April 2019 ins Leben gerufen. 150 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Vertreter und Vertreterinnen der französischen Gesellschaft wurden aufgerufen, um Vorschläge für den ökologischen Umbau des Landes zu machen.

Seit Oktober 2019 hatten sich die Teilnehmer alle drei bis 4 Wochen jeweils für 3 Tage getroffen. Die Idee war, dass die allgemeine Bevölkerung einschneidende Maßnahmen einfacher akzeptieren würde, wenn sie von Mitgliedern der Zivilgesellschaft erarbeitet wurden. Macron hatte in diesem Zusammenhang versprochen, die gemachten Vorschläge „ohne Filter“ zu übernehmen.

Die letzte Sitzung des Klima-Bürgerrates fand vom 19. bis 21. Juni 2020 statt. In einem 500seitigen Bericht wurden 149 Empfehlungen beschlossen. Sie beinhalten Vorschläge für Wirtschaft, Verkehr, Wohnen, Handel und Ernährung. Bis 2030 soll damit der C02–Ausstoß des Landes bis zu 40 Prozent reduziert werden.

So, zum Beispiel, soll im Bereich der nachhaltigen Mobilität ab 2025 der Verkauf von Neuwagen mit hohen Emissionen verboten und die umweltschädlichsten Fahrzeuge sollen aus den Stadtzentren verbannt werden. Auf den Autobahnen soll ein allgemeines Tempolilit von 110 km/h eingeführt werden.

Des Weiteren soll in zukünftige Handelsabkommen das Vorsorgeprinzip aufgenommen werden und die Nichteinhaltung des Pariser Klimaabkommens soll bestraft werden können. Die Empfehlungen beinhalten auch das Verbot von beheizten Terrassen oder beleuchteten Geschäften während der Nacht. Gefordert wurden auch Moratorien sowohl für neu entstehende Gewerbegebiete am Stadtrand als auch für die Inbetriebnahme der 5G-Technologie.

Die teilnehmenden Bürger und Bürgerinnen dachten auch ans Geld. Zur Finanzierung der Vorhaben sollten die Unternehmensdividenden besteuert werden.

Vor solch enormen Bürger(über-)mut erschrak der Präsident. Nein, das mit der Besteuerung von Dividenden sei keine gute Idee. Das könnte notwendige Zukunftsinvestitionen verhindern. Auch die Verringerung des Tempolimits auf Autobahnen von 130 auf 110 km/h müsse überdacht werden. Auch bei anderen Themen wie der 5G-Technologie sprach er sich gegen gesetzliche Verbote aus, plädierte eher für ein Überzeugen der Gesellschaft. All das waren erste Hinweise vom langsamen Abschied des „Ohne Filter“ – Prinzips.

Nur bei der Möglichkeit zur Neufassung der Präambel der Verfassung, wo der Klimaschutz als Staatsziel aufgenommen werden sollte, zeigte der Präsident Flexibilität. Am 29. Juni 2020 zunächst dagegen, präsentierte er letzten Montag die Kehrtwende. Die Bevölkerung werde aufgerufen, in einem Referendum die Verfassung zu ergänzen mit dem Satz „Die Republik garantiert den Erhalt der Artenvielfalt und der Umwelt und kämpft gegen den Klimawandel“.

Die juristisch interessante Idee ist jedoch nicht ohne politisches Risiko. Die Zeit läuft in Richtung Präsidentschaftswahlen, die im Frühjahr 2022 abgehalten werden. Je näher das Datum des Referendums am Wahltag liegt, desto grösser die Möglichkeit, dass solch eine Abstimmung in ein Plebiszit für oder gegen Macron umgemünzt wird. Ein nicht ungefährliches Spiel, in dem der Klimaschutz plötzlich ins Abseits geraten könnte.

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