Römisches Drama – Akt II

Das Regierungsbündnis zwischen der rechtsextremen „Lega“ und der linkspopulistischen Bewegung „Fünf Sterne“ ist mit dem Rücktritt von Premierminister Giuseppe Conte vorbei. Und nun?

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte ist zurückgetreten - aber das bedeutet noch lange nicht, dass Salvini Kalif anstelle des Kalifen wird... Foto: (c) Presidenza della Repubblica / Wikimedia Commons

(KL) – Nachdem der Chef der rechtsextremen „Lega“ Matteo Salvini die Koalition mit der linkspopulistischen Bewegung „Fünf Sterne“ (M5S) gesprengt hat, ist gestern Regierungschef Giuseppe Conte zurückgetreten. Grund für die seit Wochen andauernde Sabotage an der eigenen Regierung waren für Salvini die guten Ergebnisse der Rechtsextremen bei der Europawahl und in den Umfragen – klar, Matteo Salvini wäre gerne Kalif anstelle des Kalifen. Doch vieles deutet darauf hin, dass Salvini das gleiche Schicksal ereilt wie den Großwesir Isnogud – sein Griff nach der Macht könnte zum falschen Zeitpunkt erfolgt sein. Denn der Rücktritt Contes bedeutet noch lange nicht, dass es die von Salvini ersehnten Neuwahlen oder eine neue Regierung unter Beteiligung der Rechtsextremen geben wird.

Langsam dämmert es vielen Italienern, dass es Matteo Salvini gar nicht um Italien, sondern vor allem um Matteo Salvini geht. Wie viele andere Rechtspopulisten in Europa konzentriert sich auch Salvini nur auf wenige Themen – in erster Linie Ausländerhass und Europafeindlichkeit. Doch langfristig wird es in wenig europäischen Ländern ausreichen, nur mit Sprüchen wie „Let’s make XXX great again“ und ausländerfeindlichen Parolen bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten – auch in Italien.

Matteo Salvini geht in seinem Dauerwahlkampf ebenso vor wie alle anderen Rechtsextremisten in Europa – mit Fake News (in der Zeit, in der Italien rund 130 000 Flüchtlinge aufgenommen hat, nahm alleine Deutschland 1,5 Millionen Flüchtlinge auf und 2019 betrug die Anzahl der in Italien aufgenommenen Flüchtlinge 3000…), mit aggressiver Angstmache, mit sozialen Versprechungen (die, wie anderswo auch, nicht gegenfinanziert sind). Das reicht zwar, um etwas mehr als ein Drittel der Italienerinnen und Italiener in Angst und Schrecken zu versetzen, doch fast zwei Drittel der italienischen Wählerschaft sind von dem hemdsärmeligen Rabauken eher angewidert.

Statt nun flugs den Brandstifter zum Feuerwehrhauptmann zu ernennen, machen die Italiener etwas sehr Vernünftiges – sie denken nach, statt sich mit „Hurra“ Salvini an den Hals zu werfen. Und sie suchen nun nach Alternativen zum Rechtsextremismus – nach Contes Rücktritt wird nun erst einmal sondiert, ob es beispielsweise Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen der „Partito Democratico“ (PD) und dem M5S gibt. Dies ist zwar alles andere als einfach, da sich beide Parteien schon lange bekämpfen, doch offenbar ist der Wille vorhanden, sich gemeinsam gegen den aggressiven Neonationalismus Salvinis zu stemmen. Dabei lautet das Motto: Alles, nur keine Regierungsbeteiligung der „Lega“, die nun den Nachweis angetreten hat, dass ihre nationalistischen Sprüche reine Fassade sind. Der „Lega“ geht es nicht um Italien, sondern um die Macht.

Dass es in den Medien bislang mehr von Salvini und seinen Gesinnungsgenossen zu hören und zu sehen gibt, das liegt daran, dass die Rechtsextremen einfach mehr Lärm machen und für Skandale sorgen. Doch im politischen Tagesgeschäft sind sie, ebenso wie ihre Kollegen in anderen europäischen Ländern, ziemlich nutzlos. Alleine die Frage des völlig überschuldeten italienischen Haushalts ist in Salvinis Händen schlecht aufgehoben – außer Sozialversprechungen, die durchweg durch eine noch höhere Neuverschuldung finanziert werden sollen, hat die „Lega“ nicht viel zu bieten.

Salvini hat nur ein Ziel – Neuwahlen, wobei er davon ausgeht, dass er diese haushoch gewinnen wird. Nur – mit 36 oder 38 % der Stimmen, aber ohne Koalitionspartner, kann man auch in Italien nicht regieren, zumal sich Salvini in der gesamten politischen Landschaft als derart unzuverlässig erwiesen hat, dass er gar nicht erst an eine geduldete Minderheitsregierung denken muss – niemand außer seinen Parteifreunden wird einen Regierungschef Salvini tolerieren. Und der Weg zu den von Salvini erträumten Neuwahlen führt ohnehin nur über den Präsidenten Sergio Mattarella, der selbst aus der „PD“ stammt und keinerlei Motivation haben dürfte, irgendetwas zu unternehmen, das die Rechtsextremen an die Macht bringen könnte.

Mattarella wird nun mit den Parteispitzen sondieren, ob es eine Möglichkeit einer Regierungsbildung ohne die Rechtsextremen gibt und die Chancen dafür stehen gut. Auch in anderen Ländern erleben wir gerade bislang nicht für möglich gehaltene Regierungskoalitionen, die sich dann bilden, wenn anders die Machtübernahme durch die Rechtsextremen nicht verhindert werden kann. Sollte eine solche Regierungsbildung allerdings scheitern, würde Mattarella wohl Parlament und Senat auflösen und Neuwahlen ausschreiben müssen, denn Italien kann sich gerade kein Regierungsvakuum leisten. Im Haushaltsstreit mit der EU wird es bis zum Jahresende Lösungen geben müssen, weswegen Italien möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung braucht.

Was gerade in Rom passiert, ist also eher ein Drama und keine Tragödie. Das Land, das Regierungskrisen wie kein anderes gewohnt ist, wird auch diese überstehen. Es könnte gut sein, dass sich Salvini verpokert hat und einfach zu früh versucht hat, die Macht an sich zu reißen. Die Chancen stehen gut, dass die nächste italienische Regierung ohne den großmäuligen Neonationalismus der „Lega“ gebildet wird. Denn Italien muss nicht „wieder groß gemacht“ werden – Italien ist groß und stark genug, der Wiederholung der Geschichte zu widerstehen.

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