Rund vier Millionen Parias mehr

In Frankreich werden heute rund 4 Millionen Impfpässe ungültig, nämlich von Menschen, die zwar doppelt geimpft, aber nicht geboostert sind. Das klingt erneut nach Ärger.

4 Millionen Franzosen sehen heute die Rote Karte und dürfen nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben. Foto: Lilian Wagdy / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Stichtag heute. Bei rund 4 Millionen Franzosen ist seit heute der Impfpass ungültig, da sie nicht rechtzeitig geboostert wurden. Und damit reiht Frankreich diese 4 Millionen Menschen in die Kategorie der „Parias“ ein, denen praktisch der Zugang zum sozialen Leben in Frankreich verwehrt bleibt. Während in vielen Ländern der Impfpass als Zugangsberechtigung zum öffentlichen Leben abgeschafft wird, weil seine medizinische Aussagekraft über den Infektionsstatus des Inhabers praktisch gegen Null geht und dieser Pass folglich als Instrument zur Eindämmung des Virus ungeeignet ist, zieht Frankreich die Daumenschrauben an. Und die Franzosen erinnnern sich an diesen Satz ihres Präsidenten: „Ich habe große Lust, die ungeimpften Personen anzuscheißen“. Das macht der Präsident gerade auch und ob ihm das in dem wohl niveaulostesten Wahlkampf der V. Republik sonderlich weiterhilft, ist fraglich.

Die französische Impfpolitik zielt eindeutig darauf ab, Impfgegner zu bestrafen. Dabei zeigen die letzten beiden Jahre, dass es richtig ist, sich impfen zu lassen, um für sich selbst das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs zu senken, aber dass weder zwei, noch drei Impfdosen dieses Virus eindämmen können, da auch dreifach geimpfte Menschen das Virus weiterhin einfangen und weitergeben können. Was nichts anderes bedeutet, als dass diese Pandemie noch lange nicht vorbei ist.

Doch Europas Regierungen und vor allem die französische Regierung wollen nun die Pandemie per Dekret für beendet erklären. Nach zwei Jahren, in denen wir alle unendlich viele Einschränkungen erlebt haben und weiterhin erleben, ist es geradezu zynisch, wenn Nachwuchs-Politiker wie Regierungssprecher Gabriel Attal ankündigen, dass das Tragen von Gesichtsmasken „Ende März, Anfang April“ nicht mehr obligatorisch sein wird. Bestimmt reiner Zufall, dass am 10. April der erste Wahlgang seines Chefs für das Präsidentenamt ansteht, da passt es natürlich wunderbar, wenn man sich als „Befreier Frankreichs“ selbst feiern kann. Egal, wie viele Krankheitsfälle und Menschenleben das auch kosten wird.

Doch die Kommunikations-Maschine der „Macronie“ läuft hervorragend. Seit einem Jahr erfahren die Franzosen eine Art Gehirnwäsche, bei der ihnen bei jeder Gelegenheit erzählt wird, „dass die französische Regierung diese Krise besser gemanagt hat als die anderen Länder“. Dies wurde so lange wiederholt, dass es inzwischen auch diejenigen wiederholen, die es eigentlich besser wissen müssten.

In dieser Krise hat sich Frankreich stark verändert. Aus dem Land der Freiheit, der Menschenrechte, der Lebensart wurde ein digitaler Überwachungsstaat, der ganz massiv nach rechtsaußen gerutscht ist und in dem ausländerfeindliche, rassistische, antisemitische und hasserfüllte Positionen plötzlich hoffähig sind. Das ist erstaunlich, weil es sehr unfranzösisch ist, die von einer Regierung gängeln, bestrafen und in seinen Freiheiten einschränken zu lassen.

Doch auch diese neuerliche Strafaktion könnte ein Eigentor werden. Denn während einerseits das Heer der „Ausgeschlossenen“ wächst, gehen auch die Umsätze in der Gastronomie, im Tourismus und im Einzelhandel zurück. Insofern handelt es sich geradezu um einen Doppelfehler. Einerseits vertieft Emmanuel Macron die von ihm initiierte Spaltung der Gesellschaft und andererseits tritt er selbst auf die Konjunkturbremse, was kurz vor dem Wahltermin nicht das Allergeschickteste ist. Aber Macron hat das Glück, die „Präsidial-Presse“ hinter sich zu wissen, die selbst seine diplomatischen Rohrkrepierer als „sensationelle Erfolge“ verkauft. Das werden die Leitmedien wahrscheinlich auch zum Thema der neuen 4 Millionen Parias schaffen, deren Impfpass heute beim Gang ins Café plötzlich nicht mehr gilt. Wenn das die „schöne, neue Welt“ im Zeichen des QR-Codes sein soll, dann sieht die Zukunft kühl und düster aus…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste