Russisches Roulette

Sich willentlich mit Covid-19 infizieren, das ist eine Art Russisches Roulette... Foto: Municipal Archives of Trondheim from Trondheim, Norway / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Drei Wege führen zum ab nächsten Montag überall in Frankreich verlangten „Sanitären Pass“ – eine vollständige Impfung, ein Zertifikat über eine Covid-Genesung und ein aktueller PCR- oder Antigen-Test. Ohne einen solchen Pass geht ab Montag in Frankreich nichts mehr – weder Besuche in Cafés, Restaurants oder auf Terrassen, kein Kino, kein Museumsbesuch (dies gilt bereits seit Ende Juli), keine Fahrten in Fernzügen mehr und auch keine Flugreisen. Zahlreiche französische Jugendliche versuchen nun, sich gezielt anzustecken, um danach als „Genesene“ auch ohne Impfung an diesen sanitären Pass zu kommen.

Diese Jugendlichen, die gezielt Russisches Roulette spielen, sieht man mittlerweile fast überall. Junge Leute nehmen die Tram, ohne eine Maske zu tragen, andere waschen sich nicht mehr die Hände, wieder andere suchen gezielt den Kontakt zu infizierten Personen, in der irrigen Annahme, dass junge Menschen mehr Widerstandskräfte gegen das Virus haben als ältere Personen. Dabei betrifft das hoch virulente Delta-Variant hauptsächlich die Personengruppe der 15-29jährigen.

Dabei gehen diese Jugendlichen davon aus, dass sie allerhöchstens ein paar Tage das Bett hüten müssen, mit ein wenig Fieber oder idealerweise eine asymptomatische Erkrankung durchmachen. Vielleicht sollten sich diese „Zocker“ einmal mit Menschen unterhalten, die ihren Covid in der Reanimation unter Beatmung erleben mussten – das könnte die Begeisterung für diese Strategie deutlich mindern.

Dazu ist in wenigen Tagen ein reger Handel mit gefälschten Impfnachweisen entstanden. So wurde bereit eine Mitarbeiterin eines Gesundheitsamts im Eilverfahren verurteilt, nachdem sich herausstellte, dass die Frau rund 200 falsche Impfzertifikate ausgestellt und verkauft hatte. Als Begründung gab sie bei der Verhandlung an, dass „auch Nicht-Geimpfte ein Recht auf ein normales Leben haben“. Es steht zu befürchten, dass es sich hier nur im die Spitze des Eisbergs handelt und weitaus mehr Menschen in die Versuchung kommen könnten, sich auf eine solch unredliche Art und Weise einen Impfnachweis zu erschleichen.

Ein weiteres Problem wird entstehen, wenn sich Nicht-Geimpfte den sanitären Pass von Freunden oder Bekannten „ausleihen“. Da Gastronomen zwar den sanitären Pass kontrollieren müssen, dafür aber die Identität ihrer Gäste nicht kontrollieren dürfen, liegt der Verdacht nahe, dass sich auch die Praxis des „geliehenen Impfnachweises“ ausbreiten wird.

Die Art und Weise, in der Frankreich mit seiner Bevölkerung umgeht, wird weiterhin zu solchen Fehlverhalten führen. Dies ist hoch gefährlich, nicht nur für die leichtsinnigen Jugendlichen, sondern auch für die gesamte sanitäre Strategie. Unter diesen Umständen ist mehr als fraglich, ob eines Tages so etwas wie eine kollektive Immunität erreicht werden kann. Der autoritäre Ansatz der französischen Regierung ist zwar medienwirksam, doch dürfte er erfolgloser sein als in anderen Ländern, wo man weiter auf Überzeugen und eventuell Belohnen setzt. So oder so, sich wissentlich zu infizieren, dürfte von allen Strategien die dämlichste sein.