Saarland: So gefährdet man Deutschland und Frankreich

Der ambitionierte Ministerpräsident des Saarlands Tobias Hans (CDU) macht gerade mit seinem Projekt „Modellregion“ alle deutschen und französischen Anstrengungen zunichte.

Dies wird also ab dem 6. April die Autobahn für das Virus, eine Art "Highway to Hell"... Foto: Rossano / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wer wissen möchte, warum wir heute, nach über einem Jahr der Pandemie, deutlich schlechter dastehen als im April 2020, der muss nur auf das Saarland schauen. Der dortige Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat offenbar immer noch nicht begriffen, dass gerade weltweit eine Pandemie tobt, mit einem sehr mobilen Virus und inzwischen zahlreichen Varianten, die sich rund um den Erdball mit den Menschen bewegen. Auch im und um das Saarland herum. Doch das ist Tobias Hans egal – er sieht seine große Chance gekommen, sich dadurch zu profilieren, dass er sich über die Beschlüsse der Ministerpräsidenten-Konferenz und der Bundesregierung hinwegsetzt. Die Saarländer, aber auch die Menschen in der französischen Region Grand Est und den angrenzenden Bundesländern werden die persönlichen Ambitionen von Tobias Hans teuer bezahlen, einige mit ihrem Leben. Denn ab dem 6. April wird das Saarland dank seinem Ministerpräsidenten zur „Modellregion“.

Während ganz Europa herunterfährt, um den Kollaps der Krankenhäuser zu verhindern, macht Tobias Hans Klientelpolitik. So dürfen ab dem 6. April in der „Modellregion Saarland“ wieder private Treffen mit mehreren Personen im Außenbereich möglich sein, dazu plant Tobias Hans Öffnungen in den Bereichen Gastronomie, Sport und Kultur geplant. Dabei macht er geltend, dass das Saarland momentan eine Sieben-Tage-Inzidenz von weniger als 100 aufweist, der definierten „Notbremse“. Die Betonung liegt auf „momentan“. Denn wer das Infektionsgeschehen im Saarland und um das Saarland herum betrachtet, der stellt fest, dass dieses Bundesland keine Ausnahme ist – auch an der Saar fahren die Neuinfektionen Achterbahn, mal sind sie hoch, mal sind sie gering. Gewiss, die Öffnungen sollen auf der Grundlage von Schnelltests erfolgen – die es gelegentlich in Discountern zu kaufen gibt. Um also in den Genuss der Hans’schen Lockerungen zu kommen, muss man schon zu den begüterteren Mitmenschen zählen. Haben diese Ministerpräsidenten eigentlich keine Berater?

Direkt hinter der Grenze an der Goldenen Bremm in Saarbrücken liegt das französische Departement Moselle. Dort liegt die Inzidenz aktuell bei 321 und Frankreich gilt als „Hochrisikozone“ (Stufe 2). Die französischen Behörden haben informiert, dass in diesem Grenz-Departement überwiegend das „südafrikanische“ Variant zirkuliert, das als sehr virulent gilt. Täglich pendeln rund 16.000 Menschen zwischen diesem Departement und dem Saarland. Damit wird das Saarland tatsächlich zur „Modellregion“ – zu einem Modell, wie man das Infektionsgeschehen innerhalb kürzester Zeit wieder steigen lässt.

Das Saarland, das sich gerne damit brüstet, das „Tor nach Frankreich“ zu sein, hat sich offenbar wieder nicht mit den französischen Nachbarn abgestimmt, denn dort wird seit letzter Nacht das ganze Land bis in den Mai hinein heruntergefahren. Ebenso wie in den umliegenden Bundesländern. Dass ausgerechnet das kleinste Flächenland der Bundesrepublik meint, völlig losgelöst vom deutschen und europäischen Kontext agieren zu können, lässt den Beobachter verzweifeln.

Doch dieses Mal dürfte es Angela Merkel reichen. Die Selbstherrlichkeit, mit der sich Ministerpräsidenten wie Tobias Hans oder sein Parteifreund Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen über die eigentlich bundeseinheitlich geltenden Regelungen hinwegsetzen, ist unglaublich. Nach Angaben verschiedener Medien plant die Kanzlerin eine kurzfristige Änderung des Infektionsschutzgesetzes, zweifellos mit der Möglichkeit, bestimmte Maßnahmen bundesweit erlassen zu können. Wenn man sich anschaut, wie die Ministerpräsidenten seit einem Jahr unfähig sind, eine Strategie zur gemeinsamen Bekämpfung des Virus zu beschließen und dann auch umzusetzen, dann erkennt man, dass die Entscheidungsgewalt in einer solchen Pandemie in den Händen der Lokalfürsten nicht gut aufgehoben ist.

Die Bundeskanzlerin sollte schnell agieren und dem Bundestag einen Plan vorlegen, der die notwendigen Änderungen enthält, mit denen solche Pandemien auf Bundesebene gemanagt werden können. Das Saarland ist nicht grösser als ein durchschnittliches französisches Departement. Man stelle sich vor, jedes der 95 französischen Departements würde seine eigenen Corona-Regeln aufstellen, sich als „Modell-Departement“ deklarieren und genau das Gegenteil dessen tun, was die Regierung landesweit beschlossen hat…

Auch das ist eine Erkenntnis nach einem Jahr Pandemie – wichtige Entscheidungen sollten den Experten, Virologen, Epidemiologien und Medizinern überlassen und nicht etwa von ambitionierten, aber völlig ahnungslosen Regionalpolitikern getroffen werden.

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