Säuft Frankreich ab?
Seit Wochen heißt es in Frankreich „Land unter“ - sintflutartige Regenfälle und ständige Überschwemmungen zerren an den Nerven der Menschen. Woran liegt's?

(KL) – Die Frage, woran es liegt, dass Frankreich seit Wochen von einer Serie Überschwemmungen heimgesucht wird, ist schnell beantwortet: Es liegt am Klimawandel. Denn die seltsamen Wetterphänomene, die sich immer häufiger präsentieren, hängen fast alle zusammen. Leider handelt es sich um eine Entwicklung, die sich nicht abschwächen, sondern verstärken wird.
Vieles liegt daran, dass die Strömung El Nino nicht mehr funktioniert. Diese Strömung verlief entlang der Kontinente und kühlte dort die Wassertemperaturen ab. Seit El Nino nicht mehr funktioniert, steigen die Wassertemperaturen immer weiter, was wiederum dazu führt, dass die typischen Orkane in Florida immer heftiger werden, wie zuletzt „Milton“, und dass auch Ausläufer dieser Orkane bis nach Europa gelangen, wo sie ebenfalls viele Schäden anrichten. Durch die höheren Wassertemperturen können sich Orkane, Tornados und andere Wettersysteme mit deutlich mehr Wasser und Energie aufladen, was wiederum zu diesen immer stärker werdenden Wetterphänomenen führt.
In Europa, und das sieht man seit Jahren und nicht nur in Frankreich, erlebt man immer öfter diese extremen Wetterlagen und darauf ist Europa nicht vorbereitet. Was immer an Schutzmaßnahmen eingerichtet wurde, Deiche, Staumauern, Abflussflächen etc. wurde für Wetterphänomene gebaut, wie es sie eben vor einigen Jahrzehnten gab, als noch niemand über Klimawandel und extreme Wetterlagen sprach – kurz, diese Vorrichtungen eignen sich nur sehr begrenzt für die heute aktuellen Phänomene. Deshalb geben Deiche und Staumauern nach, deswegen kommt es zu Erdrutschen und anderen gefährlichen Phänomenen und das löst Staunen aus.
„So etwas haben wir noch nie erlebt“, hörte man in den letzten Tagen in den Cevennen im Süden Frankreichs, während die Urlaubsregion Côte d’Azur ebenfalls sintflutartige Regenfälle erlebte, die selbst kleine Bäche im Hinterland von Nizza in reißende Ströme verwandelte. Doch steht nun die drängende Frage im Raum, die man sich auch beim Hochwasser an der Ahr stellte – wie geht man mit dieser Situation um?
Klar ist, dass diese extremen Wetterlagen immer häufiger auftreten werden, was bedeutet, dass sich Situationen wie seit ein paar Wochen in Frankreich auch immer öfter wiederholen werden. Doch kann man nicht die ganze Bevölkerung, die in Wassernähe lebt, einfach umsiedeln – wohin auch? So schlimm die Situation für die betroffenen Regionen ist, sie ist „nur“ ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird.
Das Abschmelzen der Pole und der damit verbundene Anstieg der Meeresspiegel wird riesige Verwüstungen und Landverluste mit sich führen. So zeigen die Modelle der Wissenschaftler, dass in ein paar Jahrzehnten Paris direkt am Meer liegen wird und dass die beliebte französische Atlantikküste unter Wasser stehen wird. Wo werden die Menschen hinziehen? Wo werden sich die Unternehmen ansiedeln, die sich aus diesen gefährdeten Regionen verabschieden müssen?
Das Geld, das die Welt gerade für Kriege ausgibt, müsste in den Klimaschutz investiert werden, auch, wenn es eigentlich nicht mehr 5 vor 12, sondern eher 5 nach 12 ist. Doch mit Klimaschutz gewinnt man keine Wahlen, die gewinnt man eher, wenn man Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie schafft.
In der Zwischenzeit breitet sich in einigen französischen Regionen Verzweiflung aus. Entlang von Flüssen wie der Loire, der Yvette (Artikelfoto) und anderen müssen die Anwohner bereits zum wiederholten Mal ihre Häuser und ihr Hab und Gut retten, entsprechende Versicherungen hat kaum jemand, und viele Menschen werden durch diese Wetterphänomene in ihrer Existenz bedroht.
Und was sollen die Menschen in den Niederlanden sagen, deren Land zu drei Vierteln unterhalb des Meeresspiegels liegt? Zwar haben die Niederländer ihre Küsten vorbildlich gesichert, wie beispielsweise an der Oosterschelde, wo gigantische Wehre sogar Springfluten im Zaum halten können, doch gegen einen massiven Anstieg der Meeresspiegel werden auch diese Vorrichtungen nicht lange halten. Der Westen Europas, und das betrifft die ganze Atlantik-Zone von Skandinavien bis nach Südportugal, ist massiv gefährdet, doch auch der Rest Europas muss mit immer häufigeren Extremlagen rechnen.
Die Augen vor dieser Entwicklung zu verschließen kann diese Entwicklung nicht stoppen, es bräuchte ein radikales Umdenken in der Industrie und der Energiewirtschaft, doch kann heute niemand sagen, ob ein solches Umdenken, fände es denn statt, überhaupt noch rechtzeitig umgesetzt werden könnte, um diese Entwicklung zu stoppen.
Wie es bereits an der Ahr die deutschen Behörden getan haben, wird auch der französische Staat Hilfen für die Betroffenen leisten, doch wird das nicht reichen. Denn inzwischen ist „nach der Überschwemmung“ bereits „vor der nächsten Überschwemmung“ und mit kurzfristigen Hilfen wird man diesem Problem nicht gerecht. Doch welcher Politiker engagiert sich schon für Themen, die über eine Legislaturperdiode hinausgehen? Wenn jetzt nicht gehandelt wird, ist es bald zu spät. Wie werden wir leben, wenn ein Drittel Europas unter Wasser steht und in den übrigen europäischen Ländern Millionen europäischer Binnenflüchtlinge unterwegs sind? Werden wir dann auch wieder sagen, dass das Boot voll ist?
Gewiss, die Welt ist heute ein einziges Problemfeld, doch wer den Klimawandel unterschätzt, wird sich schon morgen mit Problemen auseinandersetzen müssen, die weitaus gefährlicher und nachhaltiger sind als die aktuellen Konflikte. Doch bis auf einige COP-Konferenzen bekommen die Mächtigen der Welt es einfach nicht hin, auf diese Bedrohung auch nur zu reagieren. Ist der Mensch am Ende tatsächlich eine „Montags-Produktion“?
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