Salami-Taktik

Scheibchenweise verschärft Frankreich seine Anti-Corona-Maßnahmen. Doch scheinen alle diese Maßnahmen nur einem Zweck zu dienen – die Franzosen auf den nächsten „Lockdown“ vorzubereiten. Der ist kaum noch zu vermeiden.

Die Franzosen erfahren gerade jeden Tag ein Scheibchen dessen, was die Regierung plant - Salami-Taktik. Foto: André Karwath aka Aka / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Am heutigen Dienstag verschärft sich die Lage im Departement Bas-Rhin und seiner Hauptstadt Straßburg weiter. Langsam, aber sicher, wird das öffentliche Leben heruntergefahren und inzwischen sagt selbst der Präsident der Region Grand Est Jean Rottner, dass er den nächsten „Lockdown“ für unumgänglich hält. Doch statt den Menschen die Wahrheit über die geplanten Maßnahmen jeden zweiten Tag als Salami-Scheibchen zu präsentieren, so dass niemand mehr durchblickt, was gerade wo wie und warum verboten oder erlaubt ist, wäre es an der Zeit, dass die Regierung klar sagt, was sie vorhat. Stattdessen verkündet die Präfektin Josianne Chevalier jeden zweiten Tag neue Vorschriften, die mal sinnvoll, mal nicht nachvollziehbar sind.

Der jüngste Coup kam gestern am späten Nachmittag. Da verkündete die Präfektin, dass ab dem heutigen Dienstag neue Öffnungszeiten für Restaurants und Bar-Restaurants gelten. Ab heute dürfen Restaurants nur noch zwischen 11 und 15 Uhr, sowie zwischen 18 und 20h30 Gäste empfangen und bedienen. Seltsam dabei ist, dass Getränke nur noch zusammen mit vor Ort zubereiteten Speisen serviert werden dürfen. Dabei muss es sich um „richtig“ gekochte Mahlzeiten handeln, also nicht etwa eine Bretzel zum Bier oder eine Käse-Wurst-Platte, die man dann eben notgedrungen mit Freunden konsumiert. Das Ganze soll angeblich zur „Eindämmung sozialer Kontakte“ dienen. Fernziel soziale Verelendung des Einzelnen?

Hält die Regierung die Französinnen und Franzosen für Schwachköpfe? Jeder hat verstanden, dass die Zahlen gerade in Frankreich explodieren und dass die Ausbreitung des Virus noch nie so schnell und aggressiv war wie heute. Jeder versteht, dass gehandelt werden muss. Und ebenso versteht jeder, dass die Covid-Krise nicht in ein paar Tagen überwunden sein wird. Wäre es da nicht besser, die Situation und die Optionen offen und transparent zu diskutieren? Und den Menschen zu sagen, was auf sie zukommt, statt immer nur wenige Stunden vor dem Inkrafttreten der nächsten Maßnahmen zu informieren? Das würde wenigstens ermöglichen, dass sich die Menschen auf die kommenden Situationen einstellen und vorbereiten, sowohl materiell, als auch psychologisch.

Die explodierenden Zahlen stellen für die Regierung und ihre Instanzen eine Verpflichtung zum handeln dar. Dass es in dieser Extrem-Situation keine „angenehmen“ Lösungen gibt, ist klar. Aber dann soll man uns doch bitteschön reinen Wein einschenken. Dass man bei einer Inzidenz von 600 / 100.000 positiv getesteten Menschen nicht einfach weitermachen kann wie bisher, ist ebenso klar. Morgen, am Mittwoch, wird es eine neue Ankündigung von neuen Maßnahmen geben und diese „Verkündigungen“ finden mittlerweile alle zwei oder drei Tage statt. Das sieht nach ziemlicher Planlosigkeit aus und dies wird sich auch so lange nicht ändern, wie man tagsüber die Menschen in Busse und Trams zwängt, ihnen aber das abendliche ausgehen oder einen Kaffee auf einer Terrasse verbietet.

Stellen wir uns also auf ganz harte Zeiten ein, genau darauf, worauf uns Angela Merkel und Emmanuel Macron seit Tagen vorbereiten. Und wenn die Maulhelden, die nach wie vor in den Städten als City-Rebellen auf das Tragen von Masken verzichten, endlich daheim bleiben oder eben doch eine Maske über Mund und Nase ziehen, dann wäre das auch schon ein Fortschritt. Denn diese „Nichtdenker“ tragen momentan nach Kräften zu einer weiteren Verbreitung des Virus bei. Und vermutlich sind sie es auch, die beim nächsten „Lockdown“ am lautesten heulen, dass ihre Grundrechte beschnitten werden.

Die „zweite Welle“ ist bedeutend aggressiver als die erste, auch, wenn die Opferzahlen noch nicht das Niveau des Frühjahrs erreicht haben. Noch. Die Krankenhäuser in Straßburg sind erneut ausgelastet und haben den „Weißen Plan“ gestartet, eine Art Vorbereitung auf Notfallsituationen. Wenn sich Politik und Gesundheitswesen auf das nächste Kapitel dieser Katastrophe einstellen, wäre es vielleicht gar nicht so blöd, würden die Bürgerinnen und Bürger das auch tun können.

Ziehen wir uns also warm an und bereiten uns schon einmal seelisch darauf vor, dass der nächste „Lockdown“ vor der Tür steht…

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