Sammelbecken der Unzufriedenen

Die Anti-Corona-Demonstrationen werden immer abstruser. Deutlich infiltriert von rechtsextremen Kräften werden die Proteste immer wirrer und richten sich vor allem gegen den Staat.

Ausnahmsweise mit Mundschutz. Aber was für ein Mundschutz... Foto: ScS EJ

(KL) – Es gibt wohl kein europäisches Land, in dem die Menschen mit dem Management der Corona-Krise zufrieden sind. Natürlich war keine Regierung auf diesen Extremfall eingestellt, die einen reagierten geschickter als andere, aber dass in einer solchen Situation auch Fehler passieren, wen wundert’s? Die Unzufriedenheit liegt in der Natur der Sache, denn sämtliche Maßnahmen, die gegen die Ausbreitung des SARS-CoV-2 getroffen wurden, hatten und haben direkte Auswirkungen auf das Leben aller Bürger*innen. In dem Moment, in dem wir auf etwas verzichten müssen, und sei es nur der Besuch im Biergarten oder beim Frisör, sind wir empört. Wir sind es gewohnt, die Krisen dieser Welt am Fernseher zu verfolgen, nicht aber, dass wir selbst betroffen sind.

In vielen deutschen Städten werden nun diese Anti-Corona-Demonstrationen zur Dauereinrichtung und erinnern immer stärker an die Frühphase der „Pediga“. Am lautesten und am präsentesten sind Demonstranten, die sich eindeutig als Rechtsextreme zu erkennen geben und alles daran setzen, die allgemeine Unzufriedenheit für ihre Sache zu kanalisieren. Erstaunlich, dass auch „linke“ Demonstranten und demonstrierende „Normalbürger“ brav mitmarschieren.

Auf die bei diesen Demonstrationen verbreiteten Verschwörungstheorien einzugehen, das lohnt sich kaum. Sie sind zu durchgeknallt, als dass man sie ernsthaft kommentieren sollte. Interessanter und beunruhigender ist, wie sich eigentlich ganz normale Menschen in diesen Brei aus Hass und Ablehnung des Staats ziehen lassen und bei dieser Gelegenheit Neonazis hinterher laufen.

Bei der „Pegida“ war damals der allgemeine Tenor, dass es sich mehrheitlich einfach um unzufriedene Bürger*innen handelte, die keineswegs alles Neonazis waren. Aber das Argument zieht nicht – wer mit Neonazis demonstriert und mit solchen Leuten Gemeinsamkeiten sucht und findet, der unterstützt Neonazis. Punkt.

Das Grundgesetz, das diese Rechtsextremen jammernd in die Luft halten, treten sie ansonsten bei jeder Gelegenheit mit Füssen. Und wozu sollen diese Proteste jetzt noch gut sein? Die Maßnahmen werden in Rekordzeit wieder abgeschafft, man riskiert sogar einen erneuten Anstieg der Infektions- und Krankenzahlen, um die Vox Populi zu beruhigen, so dass der eigentliche Grund für diese Demonstrationen immer weiter wegfällt. Zurück bleibt ein Haufen Unzufriedener, denen es weniger um die Sicherung von Grundrechten geht, sondern die sich hinter dem Slogan „Wir werden alle nur verarscht, Merkel muss weg!“ versammeln.

Hätten Bund und Länder nicht mit den getroffenen Maßnahmen auf diese Krise reagiert, wären die gleichen Menschen auf die Straße gegangen und hätten dem Staat vorgeworfen, sie alle umbringen zu wollen – es geht gar nicht um die Corona-Krise, sondern um eine allgemeine, schwer festzumachende und ziemlich schwammige Unzufriedenheit mit „denen da oben“ und natürlich, mit der „Lügenpresse“. Wie sich diese Demonstranten das Leben nach der Krise vorstellen, ist ziemlich unklar und es gibt nicht einmal den Ansatz einer Vision, wie die Gesellschaft künftig zu organisieren sei.

Bei den Demonstrationen selbst geht es inzwischen zu wie bei einem Rockfestival – dicht an dicht stehen vielerorts die Demonstranten, Masken sind weitgehend verpönt, es sei denn, sie dienen der Identifikation als Rechtsextreme wie auf dem Foto, Sicherheitsabstand war gestern. Noch geht das Ganze zumindest im sanitären Bereich gut. Noch. Doch die Chancen steigen mit jeder dieser Demonstrationen, dass sich neue Infektionsherde bilden. Haben diese Menschen erfolgreich die Bilder aus unseren Krankenhäusern verdrängt? Die Videos der Militärkonvois in Bergamo, in denen Hunderte, Tausende Särge abtransportiert wurden? Wollen sie wirklich diese „kleine Grippe“ wieder ins Laufen bringen und sich, doch vor allem auch andere gefährden?

So oder so – die Situation ist klar. Hier wächst eine neue „Bewegung der Unzufriedenen“ heran, stark gesteuert von Rechtsextremen, der es schon längst nicht mehr um das Virus geht, sondern um einen ziemlich diffusen Angriff auf den Staat. Gedeckt ist das natürlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung und es ist gut, dass in einer Demokratie jeder und jede auch den allergrößten Quatsch erzählen darf. Nicht gedeckt vom Demonstrationsrecht ist allerdings die Verbreitung von Krankheiten. Aber da sind sich ja viele der Demonstrant*innen einig: Das Virus hat es nie gegeben und falls doch, wäre es im Grunde ziemlich harmlos. Zumindest bis zur nächsten großen Welle.

1 Kommentar zu Sammelbecken der Unzufriedenen

  1. Wir Deutsche waren schon immer sehr verkniffen verspießert und unzufrieden und konnten nie den Rand halten, geschweige denn die politischen Ränder.

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