Sich Wundern und Staunen 2.0

Der SC Freiburg entfacht zum Saisonstart in die zweite Liga einen ungeahnten Wirbelwind und verzaubert Nürnberg und die eigenen Fans.

Die SC-Fans gaben ein deutliches Statement ab - und die Freiburger Mannschaft tat es ihnen nach. Foto: Bicker

(Arne Bicker) – Der Abstieg aus der Bundesliga, vier relevante Vorbereitungsspiele ohne Sieg und mit nur einem Torerfolg – mit einem Raketenstart in die zweite Liga hatte beim SC Freiburg eigentlich niemand so wirklich gerechnet. Doch dann entfachte der südbadische Sport-Club gegen den ein Jahr zuvor abgestiegenen 1. FC Nürnberg einen derartigen Wirbelwind, dass in dessen Wüten insgesamt neun Treffer fielen. Der Freiburger 6:3-Sieg gegen die “Cluberer” aus Franken hinterließ Fans und Spieler aller Couleur gleichermaßen staunend.

Kurz vor dem Anpfiff am Montagabend hatten die treusten Freiburger Fans in der Nordkurve des Schwarzwaldstadions zwei riesengroße Transparente entfaltet. ”WE GOT KNOCKED DOWN BUT WE WILL GET UP AGAIN” stand auf dem größeren, darunter ”YOU ARE NEVER GOING TO KEEP US DOWN”. Diese angelsächsischen Durchhalteparolen brachten tatsächlich internationalen Wind ins Stadion, den die Mannschaft von Trainer Christian Streich in der Folge behände aufgriff und zigfach verstärkt auf das Nürnberger Tor kaprizierte.

Ein locker hingeworfener Hattrick des in der Vorbereitung quasi mit den Füßen stumm gebliebenen SC-Torjägers Nils Petersen zwischen der achten und dreizehnten Spielminute – begünstigt durch zwei cool verwandelte Foulelfmeter – machte schnell deutlich: Der SC Freiburg wusch an diesem Abend Kochwäsche, und zwar im Schleudergang. Und ein echter Torjäger braucht eben Flutlicht, Pflichtspiel, Nervenkitzel, um jenes nötige Kribbeln in den Füßen zu verspüren, mit dem sich die Stadionanzeigetafel fernsteuern lässt. 3:0, und das erste Bier war noch gar nicht getrunken, man ahnte, da konnte, da würde noch mehr passieren.

In der Folge kam Nürnberg auf 4:3 heran, um dann nach Treffern der Freiburger Nach-Vorne-Renner Maximilian Philip und Julian Schuster doch die Segel streichen zu müssen. Der SCF erstürmte zwar nicht die zweite Liga, aber doch den ersten Tabellenplatz am ersten Spieltag und zeigte seinen Fans und allen Anderen, dass im Breisgau schneller Nägel mit Köpfen gemacht werden können, als anderswo Kickschuhe geputzt. Die Beteiligten zeigten sich nach der Partie in sternförmigen Richtungen beeindruckt.

SC-Torjäger Nils Petersen:Wir hatten keine rosige Vorbereitung, aber das spielt eben keine Rolle mehr. Man hat gemerkt wie fokussiert wir waren und wie wir den Ball haben laufen lassen. Ich kann ja jetzt nicht anfangen, Bundesliga zu gucken und wehmütig zu werden. Zu meinem Hattrick – was soll ich sagen? Da waren ja zwei Elfmeter dabei. Ich freue mich, wenn ich Tore beisteuern kann, aber in meinen Augen war das Tor von Maximilian Philip zum 5:3 das absolut wichtigste.”

SC-Trainer Christian Streich: “Es war eine gute erste Halbzeit, und wir hatten auch die nötige Power im Strafraum; dadurch kamen dann auch die Elfmeter zustande, weil wir mit Überzeugung da drin waren, und dann mussten wir gefoult werden. Nach der Halbzeit war es dann nicht so erfreulich, weil wir da ziemlich verschlafen waren. Dann machen wir zum Glück das 5:3 und konnten so das Spiel gewinnen. Ich habe viele gute Sachen gesehen, aber man darf sich jetzt nicht durch den Sieg blenden lassen.”

FCN-Trainer Rene Weiler: “Das war ein kleiner Fußball-Alptraum. Wie man die beiden Elfmeter verschuldet hat – das gibt einem als Trainer schon zu denken. Wir haben den Beginn vollends verschlafen, waren überhaupt nicht bereit, und das Spiel war eigentlich nach zwölf Minuten bereits entschieden. Das Positive ist, dass die Mannschaft Moral bewiesen hat und das Spiel nach sechzig Minuten auf ein Mal wieder offen, sogar auf der Kippe war.”

SC-Torschütze Maximilian Philip:Mein Treffer war gut vorbereitet von Marc Torrejon. Und wenn ich Tempo bin, ist es schwer mich noch zu kriegen. Insgesamt sechs Tore sprechen für sich. Da kann man in der Offensive nicht viel falsch gemacht haben; wir haben sehr variabel gespielt. Drei Gegentore zu fressen ist natürlich nicht so schön.”

FCN-Torschütze Kevin Möhwald: “Wenn man auswärts drei Tore spielt, dann nimmt man normalerweise einen Punkt mit. Aber wie wir uns in der ersten Halbzeit verhalten haben – das ging gar nicht, darüber müssen wir reden. Und wenn wir sechs Gegentore kassiert haben, dann kann ich als Abwehrspieler kein gutes Spiel gemacht haben. Vor allem bei dem fünften Gegentor habe ich mich kindergartenmäßig verhalten. Da ist es auch egal, ob ich vorn ein Tor geschossen habe, das interessiert dann keine Sau.”

SC-Kapitän Julian Schuster: “In der ersten Halbzeit hat die Mannschaft gezeigt, was in ihr stecken kann. Solche Siege tun gut.”

FCN-Kapitän Jan Polak: “Das war von Anfang an trostlos, was wir da gemacht haben; die ersten zwölf Minuten waren eine Katastrophe. Die Freiburger haben den Ball laufen lassen und waren überall früher als wir. In der zweiten halbzeit waren wir deutlich besser und auch nah am Ausgleich, aber dann hat uns die Kraft gefehlt, die wir in der ersten Halbzeit verloren haben, als wir viel umsonst gelaufen sind. Ich hoffe, dass wir daraus lernen und am Freitag zuhause gegen Heidenheim anders auftreten.”

SC-Außenbahnspieler Christian Günter:Nach dem 4:1 darf es uns nicht passieren, dass wir da noch zwei Tore kriegen. Aber zum Glück haben wir uns danach auf unsere Stärken aus der ersten Halbzeit besonnen, und am Ende war es dann ein klarer Sieg.”

 

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