Schade, dass Gabriel Attal nicht Eurojournalist(e) liest…
Der französische Regierungssprecher zeigte sich überrascht vom exponentiellen Anstieg der Inzidenz in Ostfrankreich. Hätte er Eurojournalist(e) gelesen, hätte er es früher gewusst...
(KL) – Gabriel Attal ist der jungsche Regierungssprecher Frankreichs. Eigentlich macht er seinen Job nicht schlecht, er wird nicht müde, die Genialität seines Präsidenten zu loben und bei jeder Gelegenheit zu unterstreichen, dass man die Pandemie in Frankreich so viel besser gemanagt habe als die anderen europäischen Länder. Natürlich dank der Weitsicht und der göttlichen Eingaben seiner Chefs. Dass er sich nun bestürzt ob des explosionsartigen Anstiegs der Inzidenzen zeigt, hat einen Grund: Er liest Eurojournalist(e) nicht. Denn hätte er das getan, dann hätte seine Regierung rechtzeitig Maßnahmen ergreifen können, um diese Entwicklung zu verlangsamen.
Am 29. November hatten wir (nicht zum ersten Mal) darauf hingeweisen, dass sich die „5. Welle“ stetig vom Osten Europas in den Westen verlagert. Und dass sich diese „5. Welle“ sicher nicht am Rhein in Luft auflösen würde, wie man es vor 30 Jahren von der radioaktiven Wolke von Tschenobyl in Frankreich behauptet hatte.
Heute hat die Inzidenz im Departement Bas-Rhin die 500 überschritten und damit fast schon das Niveau der benachbarten Ortenau erreicht. Seit zwei Wochen bewegt sich diese „5. Welle“ mit ziemlich konstanter Geschwindigkeit von Ost nach West, ausgehend von der Tschechischen Republik und Österreich, über Bayern, Thüringen und Sachsen, erreichte sie den östlichen Teil Baden-Württembergs und vor etwas mehr als einer Woche auch die deutsch-französische Grenzregion. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die uneingeschränkte Mobilität in der Grenzregion dazu führen muss, dass diese Welle eben auch das Elsass erreichen wird.
Regierungssprecher Gabriel Attal war allerdings zu sehr damit beschäftigt, die europaweit einzigartige Genialität seiner Regierung zu lobpreisen, weswegen er gar nicht mitbekam, dass man gerade mit verschränkten Armen zusah, wie sich diese „5. Welle“ ungehindert nach Frankreich durchfressen konnte. Denn an der aktuellen Entwicklung im Elsass ist leider nichts Überraschendes, sie ist die logische Konsequenz davon, dass man es versäumt hat, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, als noch Zeit dafür gewesen wäre.
Auch, als in Baden-Württemberg die Weihnachtsmärkte geschlossen und Lockdowns und Ausgangssperren für Nicht-Geimpfte verhängt wurden, schaute man in Paris nicht hin. Im Elsass freute man sich darüber, dass nun Zehntausende Besucher aus der Hochinzidenz-Region Baden-Württemberg auf die Weihnachtsmärkte in Straßburg, Colmar, Mulhouse und anderswo im Elsass strömten und dabei nicht nur Geld, sondern auch das Virus mitbrachten. Darüber freut man sich auch heute noch im Elsass, denn man möchte nicht richtig wahrhaben, dass Frankreich, trotz des so ungewöhnlich genialen Managements der Krise, nun genau das gleiche erlebt wie die bisher von der „5. Welle“ betroffenen Regionen, die östlich vom Elsass liegen. Und deshalb ergreift man auch jetzt, wo die Zahlen auch in Ostfrankreich explodieren, die Krankenhäuser im Elsass erneut ihren „weißen Notfall-Plan“ ausgerufen haben, nicht die Maßnahmen, mit denen diese explosionsartige Ausbreitung der Inzidenz zumindest verlangsamt werden könnte.
Die aktuelle Entwicklung in Frankreich hat nichts Überraschendes, auch, wenn Gabriel Attal und seine Regierung sich nun überrascht zeigen. Sie ist die logische Konsequenz dessen, dass man nicht darauf reagiert hat, was anderswo in Europa passiert und dass man diese Ost-West-Bewegung der „5. Welle“ nicht wahrnehmen wollte. Natürlich ist es in so einer Situation witziger, hämisch mit dem Finger auf die Nachbarn zu zeigen, die diese Krise nicht so genial gemanagt haben wie man selbst, doch wäre es vermutlich sinnvoller gewesen, hätte man auf diese langsam nach Westen schwappende Welle reagiert, statt sich über die bereits betroffenen Regionen zu mokieren.
Gäbe es am Oberrhein so etwas wie einen funktionierenden Austausch, hätte man rechtzeitig gemeinsame Maßnahmen beschließen können, um zu versuchen, diese Welle am Rhein wenigstens zu verlangsamen. Aber diesen Austausch gibt es nicht, im Gegenteil. Wenn man die Beschlüsse der Oberrheinkonferenz der letzten Woche liest, stellt man fest, dass die Behörden am Oberrhein den Kampf gegen diese Pandemie bereits aufgegeben haben – sie bereiten sich nun auf einen besseren Austausch für künftige Pandemien vor und haben dafür einen Zeitplan aufgestellt, nach dem man mit konkreten, gemeinsamen Maßnahmen ungefähr im Jahr 2025 rechnen darf.
Immerhin, aus diesem chaotischen Gestümper der Behörden ergibt sich zumindest ein Handlungsstrang, den wir dem Regierungssprecher Gabriel Attal empfehlen können – lesen Sie künftig Eurojournalist(e), dann sind Sie deutlich näher an den Entwicklungen und können vielleicht richtig reagieren…
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