Schaffen wir es noch bis in den Herbst?

Eigentlich rechneten die Experten mit der nächsten großen Corona-Welle erst im Herbst. Doch jetzt ist bereits die „Sommerwelle“ da, für die niemand gerüstet ist.

Die nächsten Massnahmen kommen bestimmt, denn die Pandemie ist alles andere als vorbei. Foto: Bisajunisa / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Gesundheitsminister Karl Lauterbach schlägt Alarm. Statt dass die Pandemie bei hohen Sommertemperaturen eine Pause macht, steigen die Inzidenzen aufgrund des neuen BA.5-Variants rapide an, momentan bis zu einer Inzidenz von 472,4. Das liegt unter anderem daran, dass fast alle Vorsichtsmaßnahmen ausgelaufen seien, sagte Lauterbach. Das klingt sehr neutral, als hätten sich die Maßnahmen einfach von selbst abgeschafft. Das haben sie aber nicht – diese Maßnahmen sind von der Politik beendet worden und man hat, in Deutschland wie in anderen Ländern, den Bevölkerungen damit suggeriert, die Pandemie wäre quasi vorbei und bezwungen.

Und das ist dann auch die Gelegenheit, die Bevölkerung zu vierten und fünften Impfdosen aufzufordern, vor allem Menschen mit Vorerkrankungen und alte Menschen. Ob die heute verfügbaren Impfstoffe überhaupt noch gegen die neuen Varianten wirken, ist unklar. Und weitere Maßnahmen wird keine europäische Regierung kurz vor den Sommerferien verhängen. Da nimmt man eher in Kauf, dass die Bevölkerungen einen schönen Sommer verleben (was ja in den letzten beiden Jahren kaum der Fall war) und die Schrauben werden dann eben im Herbst nach den Ferien wieder angezogen.

Doch die pandemische Lage wird immer unklarer. Die veröffentlichten Inzidenzzahlen sind eher Wunschdenken und keine präzisen Informationen, da es eine enorm hohe Dunkelziffer gibt, da sich kaum noch jemand testen lässt, es sei denn, die Betroffenen hätten eindeutige Symptome und einen begründeten Verdacht einer Infektion.

Doch was soll man nun mit diesen „Informationen“ anfangen? Wir wissen, dass es neue, sehr aktive und leicht übertragbare Varianten gibt; wir wissen, dass es praktisch keine Schutzmaßnahmen mehr gibt; wir wissen, dass wir gerade auf sehr dünnem Eis laufen.

Im Grunde bleibt nur der Appell an die Vernunft der Menschen, der Aufruf, sich selbst so gut zu schützen, wie es geht. Aber wer hat schon Lust im Sommer am Strand mit Gesichtsmaske herumzulaufen? Wer achtet noch an einem lauen Sommerabend im Biergarten darauf, wie viele Menschen am Tisch sitzen?

Die Politik hat die Pandemie für faktisch beendet erklärt, ohne dass sie es war. Dies erfolgte aus verschiedenen Gründen. In Ländern wie Frankreich war es der Wahlkampf, in dem sich die bisherige Regierung als „Bezwinger der Pandemie“ selbst feierte, in anderen Ländern sind es eher wirtschaftliche Beweggründe, die dazu geführt haben, dass man eben so tut, als sei die Normalität wieder eingekehrt. Doch das ist sie nicht.

Man sollte die weitere Entwicklung der Pandemie in den nächsten Wochen aufmerksam verfolgen, denn die nächste Welle schwappt bereits durch die Welt. Nach wie vor mutiert das Virus, nach wie vor verbreitet es sich schnell. Die Pandemie ist nicht vorbei und es liegt an jedem Einzelnen, sich in den nächsten Zeiten weiterhin zu schützen. Doch mit dem beginnenden Sommer und der Lust auf Normalität ist das alles andere als einfach. Ob wir es wohl bis zum Herbst ohne neue, restriktive Maßnahmen schaffen?

2 Kommentare zu Schaffen wir es noch bis in den Herbst?

  1. “Die Politik” hat in den letzten Monaten in Sachen Pandemie vor allem eines gezeigt:

    - “moderne Gesellschaften” sind für Katastrophen nicht gerüstet
    - Individualismus und “Selbstbestimmung” sind wichtiger als Disziplin
    - Wir haben Chaos, zu viele “Experten” reden mit
    - Inkompetente Entscheidungsträger und zu viele faule Kompromisse

    Von daher hat Lauterbach recht, wenn er “nur” darauf hinweist. Jeder muss selbst wissen, wie er mit Infektionsrisiken umgeht. Das merkt jeder, der Schulkinder hat.

    • Gute Analyse, und es war klar, dass wir irgendwann an den Punkt kommen werden, an dem halt jeder auf sich selbst aufpassen muss…

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