Schamlose Schaumgeborene? “Die Teilung der Welt” in der Rheinoper

Woran zerbricht die Welt? Ausgerechnet an Ausschweifungen und Eifersucht. Zuvor rangen edle Titanen und zügellose Götter um die Macht im Universum – dreimal darf man raten, wer gewonnen hat...

Die Teilung der Welt - La divisione del mondo... Foto: Klara Beck / Opéra National du Rhin

(Von Michael Magercord) – Das Goldene Zeitalter liegt hinter uns. Vorbei die lieblichen Zeiten, als es gerecht unter den Menschen zuging, genug für alle da war und sie sich gegenseitig leidlich gerne mochten. Die edlen Titanen, die über diese selige Ordnung wachten, sind besiegt, die unsterblichen Götter des Olymp an der Macht. So Gnade uns nun Gott!

Das ist die Konstellation, in der die Oper “La divisione del mondo” von Giovanni Legrenzi aus dem Jahre 1675 angesiedelt ist. Die Welt ist geteilt in die Sphären für die sterblichen Menschen und jene für die unsterblichen Götter. Diese Götter treiben ihr eigenes Spiel, und darum geht es um Liebe – oder was Unsterbliche überhaupt dafür halten können. Mit den Göttern kommt nämlich die Liebessucht in die Welt, die sich vor allem auf sich selbst bezieht, und damit auch ihre Schwester, die Eifersucht: geliebt oder ungeliebt, das ist hier die Frage…

Venus steht im Zentrum des Begehrens und begehrt doch selbst. Venus, die Schaumgeborene, die – gezeugt von einem entmannten Titanengemächt – aus einer aufgeplusterten Luftmasse entstieg, um in der Götterwelt für Aufruhr zu sorgen – et voila, mission accomplie, Liebestollheit pur herrscht seither selbst unter den Göttergatten. Ach diese liebessüchtigen Götter, könnte man nun sagen und sich wieder seinen leidlich netten Mitmenschen zuwenden, aber nein, die Sphäre der Götter ist nur scheinbar von jener der Menschen getrennt, ihr Treiben und ihre Süchte haben auch das Leben der Erdenbewohner im Griff. So manche unter ihnen benehmen sich nun wie Götter, und der oder andere benennt sich sogar schon nach einem der ihren…

Doch Schäume, das wissen wir spätestens von Goethe, sind Träume – oder war es umgekehrt? Egal, denn nun sagt man ja sowieso, dass die Menschen sich diese Götterwelt nur erdacht haben. Warum? Um ihre Süchte und Träume in eine göttliche Sphäre verlegen zu können, auf dass die Übertragung auf höhere Wesen ihr eigenes Verlangen und moralisch auch nicht immer so reines Verhalten rechtfertigt. Oder ist es Zufall, dass im Venedig des 17. Jahrhunderts dieses Opernwerk über ausschweifende Götter ausgerechnet zum frivolen Karneval dargeboten wurde? Und weil wir seither noch eine Stufe weiter gegangen sind und die Götterwelt komplett zum Hirngespinst erklärt haben, wird es nun richtig ernst: unsere schaumgeborenen Träume und Süchte werden zum wissenschaftlichen Gegenstand psychologischer Studien – oder man wird gleich in der Küche auf die Couch gelegt…

Vielleicht hilft es den Träumenden und Süchtigen doch eher, ihre Träume und Süchte den Göttern anzulasten, um damit eine gewisse Distanz zu ihnen zu finden, aus der heraus sich befreiend darüber lachen lässt. So stelle man sich doch einfach mal vor, wie die Götter es heutzutage treiben würden um eine Sonntagstafel einer bürgerlichen Familie herum oder eben darauf. Denn alles ist möglich, wenn alles menschlich ist. Nur eines ist gewiss: Was für die unsterblichen Götter nur ein bloßes Spiel war, ist bitterer Ernst unter den Menschen – und wird auf der Bühne schließlich zur Komödie.

In der Rheinoper zu Straßburg darf ab Freitag geträumt, geschäumt und gelacht werden, wobei uns die Musik des Giovanno Legrenzi – dargeboten von den “Les Talens Lyriques” unter der Leitung des Barock-Spezialisten Christoph Pousset – in die turbulenten und doch sogleich lyrischen Sphären der Unsterblichen und ihrer menschlichen Mimem mit den göttlichen Stimmen enthebt.

La divisione del mondo – Die Teilung der Welt
Oper in drei Akten von Giovanni Legrenzi aus dem Jahre 1675

Musikalische Leitung: Christophe Pousset
Inszenierung: Jetske Mijnssen
Les Talens Lyriques

Strasbourg – Opera
FR 8. Februar, 20.00 Uhr
SO 10. Februar, 15.00 Uhr
DI 12. Februar, 20.00 Uhr
DO 14. Februar, 20.00 Uhr
SA 16. Februar, 20.00 Uhr

Mulhouse – La Sinne
FR 1. März, 20.00 Uhr
SO 3. März, 15.00 UHr

Colmar – Théâtre municipal
SA 9. März, 20.00 Uhr

Informationen und Tickets: https://www.operanationaldurhin.eu/de

Rezital – Opera Straßburg
Simon Keenlyside(Bariton)
Malcolm Martineau (Klavier)
SO 14 Februar, 15.00 Uhr

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