Schau’n mer mal…

Die TV-Ansprache von Emmanuel Macron war zweifellos seine beste seit Beginn der Coronakrise. Ob sie ausreicht, das angeknackste Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wiederherzustellen, wird man sehen.

Einen ganz neuen Ton schlug Macron in seiner TV-Ansprache an. Ob ihm die Franzosen glauben werden? Foto: ScS EJ

(KL) – Gestern Abend, 20:02 Uhr, die TV-Ansprache von Emmanuel Macron. Warum diese krumme Uhrzeit? Einfach, um 20 Uhr applaudieren die Franzosen und Französinnen ihren Helden des Alltags, den Ärzten und dem Pflegepersonal in den Krankenhäusern. Dann kam eine Ansprache in einer Form, wie man sie bei Emmanuel Macron noch nie gehört hat. Zwar klingen bei ihm Ansprachen immer sehr eingeübt, bis in die letzte Gestik und Mimik, doch der Inhalt war gestern Abend ein anderer als sonst.

Direkt zu Beginn brachte der Präsident eine Art mea culpa, wie man es von ihm nicht kennt. Die Regierung sei, wie in anderen Ländern auch, von der Krise und deren Ausmaßen überrascht worden. Man habe zwar versucht angemessen zu reagieren, doch seien Fehler gemacht, nicht gut kommuniziert und zu langsam und in vielen Dingen zu bürokratisch reagiert worden. Eine ungewöhnliche Selbstkritik des Präsidenten.

Mehrere Dinge fielen bei seiner Ansprache auf. Zum einen benutzte er kein einziges Mal das Wort „Krieg“ und es ist gut, dass er diese Vokabel aus seinem Wortschatz verbannt. Denn, wie sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier richtig gesagt hatte, stehen sich im Krieg zwei Völker gegenüber, was in der Coronakrise nicht der Fall ist. Dann fiel auf, dass sich Macron in seiner Rede sehr um die „kleinen Leute“ bemühte, denn die sind es, die das Land noch am Laufen halten. Doch dann musste man festhalten, dass er in vielen wichtigen Punkten keine klaren Aussagen treffen konnte.

Fangen wir mit dem an, was klar ist. Klar ist, dass die Ausgangssperre in ihrer aktuellen Form bis zum 11. Mai weitergeführt wird. Und das ist noch lange, sehr lange. Und der 11. Mai wir nur dann zum Stichtag für die erste Wiedereröffnung von Schulen und Lockerung der Maßnahmen werden, wenn sich bis dahin alle an diese Maßnahmen halten und diese auch entsprechende Ergebnisse zeitigen. Das ist in der Tat die Voraussetzung, dass man diese Maßnahmen langsam, aber sicher lockern kann. Dazu machte Macron deutlich, dass der Betrieb der Hochschulen erst nach der Sommerpause wieder aufgenommen werden kann und dass nach dem 11. Mai Orte des öffentlichen Zusammenkommens weiterhin geschlossen bleiben, Cafés, Restaurants, Kinos etc. werden also noch eine ganze Weile nicht öffnen können, was natürlich leider auch vernünftig ist.

Doch was ist mit dem Gerücht, dass alte und chronisch kranke Menschen länger im „Confinement“ bleiben müssen? Ja, sagte Macron, das ist so, allerdings nannte er keinerlei Datum. Ebenso schwammig war die Aussage zur Suspendierung des Schengen-Raums, für die er sich stark gemacht hatte – hier sprach er lediglich davon, die außereuropäischen Grenzen geschlossen zu lassen, kein Wort zu den innereuropäischen Grenzen, die gerade weitgehend dicht sind und das gemeinsame Leben in Grenzräumen praktisch zum Erliegen gebracht haben.

Wie es mit der Wirtschaft weitergeht, ist auch nicht so richtig klar, die bereits lancierten Programme ersticken teilweise in ihrer eigenen Verwaltung, wobei Macron sagte, dass er dies ändern und die aktuellen und kommenden Programme weniger bürokratisch gestalten wolle. Das ist eine gute Absicht, ob die schwerfällige französische Bürokratie da mitmacht, wird man sehen.

Für die sozial Schwächsten soll am heutigen Dienstag ein Soforthilfeprogramm gestartet werden, über dessen Höhe bereits heute entschieden wird. Das ist gut und richtig.

Der überraschendste Satz kam gegen Ende seiner Ansprache, ein Satz, den man von Emmanuel Macron nie erwartet hätte: „Diese Krise ist eine Gelegenheit, uns alle neu zu erfinden. Ich als allererstes.“

Ab sofort will Macron regelmäßig die Bevölkerung über Fortschritte informieren, transparenter sein und die teilweise grotesken Fehler seiner Regierung der letzten Wochen vermeiden. Mit dieser Ansprache hat sich der Präsident selbst die letzte Chance eröffnet, die Franzosen und Französinnen in dieser Situation zu einen und seine eigene politische Zukunft zu sichern, doch wird er in den kommenden Wochen exakt das umsetzen müssen, was er angekündigt hat. Und genau daran glauben viele Franzosen und Französinnen nicht mehr. Schaun mer mal…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste