Schauprozesse hüben wie drüben

Die pro-russischen Behörden im Donbass machen das, was auch die Ukraine macht – Schauprozesse gegen jeweils feindliche Soldaten, die schwächsten Elemente einer langen Befehlskette.

Mit "Gerechtigkeit" haben Schauprozesse nicht viel zu tun... Foto: Kamal Berman / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es begann mit dem Prozess gegen einen 21jährigen russischen Soldaten, der zugegeben hatte, einen unbewaffneten, 62jährigen Zivilisten in der Ukraine erschossen zu haben. Urteil: lebenslänglich. Nun beginnt der Prozess gegen zwei britische und einen marokkanischen Kämpfer der ukrainischen Armee in der so genannten „Volksrepublik Donetzk“. Das Gericht, bestehend aus russischen Marionetten, wirft den drei Angeklagten „Söldnertum“ vor. Und die „Staatsanwaltschaft“ dieser Gerichtsfarce hat bereits darauf hingewiesen, dass auf „Söldnertum“ die Todesstrafe stehen kann. Ob die Russen dies auch für ihre tschetschenischen Söldner oder für ihre Wagner-Truppe anwenden?

„Gerechtigkeit“ kann man von keinem dieser Kriegsgerichte erwarten, sondern lediglich Schauprozesse, in denen die schwächsten Elemente einer langen Befehlskette vorgeführt werden, während diejenigen, die für die barbarischen Befehle verantwortlich sind, weiter gemütlich in ihren Datschen sitzen.

Mit diesen Prozessen verfolgen beide Seiten ein klares Kommunikationsziel. Die Ukraine will zeigen, dass die russische Armee Halbstarke auf Zivilisten schießen und diese brutal ermorden lässt, während die Russen demonstrieren wollen, dass jede Menge ausländischer Söldner auf ukrainischer Seite kämpfen. Doch sind beide Umstände hinlänglich bekannt und ob diese Schauprozesse tatsächlich eine abschreckende Wirkung auf die Kämpfer auf beiden Seiten haben, ist mehr als fraglich.

Ob sich russische Soldaten aufgrund dieser Verurteilung den Befehlen ihrer Vorgesetzten widersetzen, muss bezweifelt werden. Ob sich ausländische Kämpfer aus der ukrainischen Armee verabschieden, weil sie Gefahr laufen, selbst Gegenstand eines solchen Prozesses zu werden, auch. Aber offenbar gehören solche Prozesse zu einem „richtigen“ Krieg dazu und da wir uns inzwischen in eben einem solchen „richtigen“ Krieg befinden, muss man das wohl so zur Kenntnis nehmen.

Doch durch die Überdosis Propaganda, die seit Monaten auf die Welt einprasselt, stumpft die Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit ab. Die Nachrichten aus der Ukraine und aus Moskau werden nur noch am Rande registriert, zumal jeder weiß, dass auf beiden Seiten gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Doch bietet diese Art von Propaganda kaum die Möglichkeit, dass Menschen und Regierungen zu mehr Solidarität bewegt werden, das Gegenteil ist der Fall.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem beide Seite noch dazu alle Vermittlungsversuche und Friedenspläne ablehnen, stattdessen aber Waffen, Geld und weitere Unterstützung einfordern, könnte eine Situation entstehen, in der die Weltöffentlichkeit anfängt wegzuschauen. Das ist nämlich die Kehrseite von Propaganda – wenn diese als solche entlarvt wird, dann wird sie nutzlos und senkt das Vertrauen in die Kommunikation. Dieser Punkt ist längst erreicht. Nachdem schon lange niemand mehr den Aussagen Moskaus traut, gilt dies inzwischen auch für die Aussagen Kiews. Die Durchhalte- und Siegesparolen werden täglich unglaubwürdiger, wenn man die Entwicklung der Frontlinie anschaut. Und Schauprozesse werden nicht dazu beitragen, dieses Gefühl, dass man niemandem mehr glauben kann, zu verändern.

Man muss abwarten, dass das Gericht der „Volksrepublik Donetzk“ entscheidet. Sollte es tatsächlich die Todesstrafe verhängen, stellt dies die nächste Stufe der Eskalation dar und wird dafür sorgen, dass sich immer mehr Länder direkt oder indirekt an diesem Krieg beteiligen. So entstehen Weltkriege. Das ist zwar jedem klar, doch offenbar ist es das, was die Welt heute will – einen neuen Weltkrieg. Der letzte ist ja auch schon so lange her…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste