Schlau, schlauer, Füchslein – Janacek in der Rheinoper

Die Rheinoper in Straßburg hat die höchst originelle Inszenierung von Robert Carsen der Oper “Das schlaue Füchslein” von Leos Janacek wieder aufgenommen. Poesie zur Vorweihnachtszeit aus der Natur des Menschen in Tiergestalt – oder doch das tierische im Menschen?

Die kleine Füchsin... von Leos Janacek and der Rheinoper in Strasbourg... Foto: ONR / Klara Beck

(Von Michael Magercord) – Wer’s noch nicht wusste: Füchse sind schlau. Steht so auch in Brehms Tierleben, indirekt jedenfalls. Denn der “Vulpes Vulpes” überlebt nämlich sogar dort, wo ihm nachgestellt wird. Und das wird ihm, denn laut Brehm ist er “als Geflügeldieb recht unbeliebt”.

Dabei ist es gerade dieser Zwiespalt, schlau und diebisch zugleich sein, der uns doch fasziniert. Und dazu noch dieses ziemlich ungeklärte Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Oder den Bildern, die sich der Mensch davon macht. Denn mehr ist es ja nicht, was uns noch mit der Natur der Natur verbindet: Bilder, Märchen und Fabeln. Jedes dieser Narrative aus der Natur zeigt doch nur eines: welche Natur der Mensch sich selbst zuschreibt.

Ein komplexes Verhältnis also zwischen beidem, Mensch und Natur, eines, das allerdings in der Oper nur selten zur Klärung ansteht. Bis Leos Janacek 1924 das schlaue Füchslein dort hinauf brachte. Er versetzte die Romanfiguren der jungen Füchsin mit der großen Schnauze, des Bauern, der sie gefangen hielt, ihres Liebhabers, dem sie viele Junge gebar, und des Wilderers, der ihr schließlich das Fell über die Ohren zog, auf die Opernbühne.

Und klar, dass es da ziemlich bunt zu geht. Nicht nur, dass zunächst alles ins rotfüchsige Orange getaucht ist, und sich dann mit dem wundervoll vonstatten gehenden Wechsel der Jahreszeiten in Weiß und Grün wendet. Sondern auch das bunte Treiben im Biergarten oder Fuchsbau. Oder im Hühnerstall. Denn da wurde das Fuchsmädchen zum Wärter der Hühner, und was geschieht? Die Füchsin will dem Hahn die Hühner abspenstig machen, in dem sie einen feministischen Aufstand anzettelt, doch nur, um ihre Geschlechtsgenossinnen schließlich zu verspeisen. Mensch und Natur eben. Der Aufstand bleibt allerdings aus, ändert nur nichts, die Hühner müssen trotzdem dran glauben.

Auf die Idee kann nur ein ziemlich weitsichtiger Mann kommen. Der damals 70-jährige Leos Janacek lässt nämlich offen, wo die Grenzen zwischen Mensch und Natur verlaufen. So, wie er vieles offen lässt. Denn sein verbindendes Element sind nicht etwa viele und große Worte, sondern seine Musik. Sie markiert den Abschied von hochtrabender Romantik, zelebriert stattdessen einen lyrischen Impressionismus und die Perfektion der janacekschen Sprechmelodie. Der Komponist bezeichnete dieses Werk als sein bestes. Max Brod auch, selbst wenn ihm, dem Kafka-Gönner, das melodramatische etwas fehlte.

Aber das fehlt ja auch der Natur. Darin ist einfach alles wie es ist. Das gilt auch für diese Inszenierung von Robert Carsen, die die Natur des Werkes respektiert, das heißt auch dessen tschechische Leichtigkeit, die der Landsmann von Janacek, Milan Kundera einstmals als unerträglich bezeichnet hat, die jedoch an diesem Opernabend ziemlich leicht zu ertragen ist. Vielleicht verhalten sich die beteiligten Menschen ab und zu etwas zu grob zueinander, aber das machen die Tiere, die einen liebevollen und liebestollen Umgang pflegen, wieder locker wett.

Ja, turbulent geht es zu zwischen Mensch und Füchsen, eine Beziehung so tierisch schön und voller Poesie – und mit Musik, die deshalb so wunderbar leicht daher kommt, weil sie es nicht ist. Doch obwohl alles so niedlich erscheint, ist es in keinem Augenblick lang Kitsch. Und auch kein Kinderkram. Deshalb, liebe Kinder, nun Folgendes: Selbst wenn ihr also wegen der schlauen Tiere und dem bunten Treiben mit der Oma in die Oper geht, muss man dort trotzdem die Klappe halten. Und die Oma natürlich auch. Und Achtung! Bei der Szene gleich vor der Pause wird euch die besorgte Oma die Augen zu halten. Dann treibt die ganze Bande von Füchsen und Füchsinnen zu der hippen Musik von diesem alten Rocker Leos Janacek nämlich Rudelbums. Was das ist? Oma fragen! Mal gespannt, was die dann sagt. Oder eben in Brehms Tierleben nachschlagen.
Weitere Aufführungen von “La petite renarde”:

Strasbourg – Opéra
SA, 17. Dezember, 20 Uhr
MO, 19. Dezember, 20 Uhr
MI, 21. Dezember, 20 Uhr
FR, 23. Dezember, 20 Uhr

Mulhouse – La Filature
FR, 6. Januar, 20 Uhr
SO, 8. Januar, 15 Uhr

Informationen und Tickets unter: www.operanationaldurhin.eu

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