Schmutziges Blut?

Ein seit Jahren im deutsch-französischen Wirtschaftsverkehr tätiger Anwalt, Dr. Peter F., wollte in der Ortenau Blut spenden. Das durfte er aber nicht.

Ein Piekser und schon läuft die Blutspende - nur momentan nicht in der Ortenau für Grenzgänger... Foto: E. Duerselen / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Anwalt Peter F. (Name geändert) betreibt nicht nur in der Ortenau und in Straßburg eine Anwaltskanzlei, sondern er ist auch Blutspender. Bereits 75 Mal hat er Blut gespendet. Doch das 76. Mal, das am 23. März geplant war, fiel aus. Da er seit 22 Jahren täglich zwischen der Ortenau und Straßburg pendelt, wurde er „zurückgestellt“, nach einer neuen Regelung des Blutspendediensts des DRK, nach der Reisende aus Risikogebieten erst einmal nicht Blut spenden sollen. Darunter fallen seltsamerweise auch deutsche Pendler, die in Straßburg arbeiten. Also ging er kurzerhand in Straßburg Blut spenden und wundert sich, dass sich in Deutschland langsam eine Elsass- und Frankreich-Psychose einstellt.

Die Haltung des DRK ist zumindest verwunderlich. Gerade erst hat es seine Blutspender angeschrieben und diese aufgefordert, sich doch jetzt wegen der Corona-Krise nicht vom Blutspenden abhalten zu lassen. Doch wenn es um Menschen geht, die in Straßburg arbeiten, dann legt man auf deren Spende doch keinen Wert. Das zumindest teilte die „Qualitätsbeauftragte“ der Beschwerde-Abteilung des DRK dem Anwalt Dr. F. in einem Einzeiler mit. Auch der Hinweis, dass die 10 MitarbeiterInnen seiner Straßburger Kanzlei längst alle in Telearbeit sind, interessierte nicht. Wer in Straßburg arbeitet, dessen Blut ist verdächtig. Wer in Straßburg lebt, ist verdächtig. Wer Elsässer ist, ist verdächtig. Vor Elsässern muss man Angst haben.

Gewiss, das Robert-Koch-Institut (RKI) hat das Elsass und die ganze Region Grand Est zum „Risikogebiet“ erklärt, Deutschland hat seine Grenzen geschlossen, diese jedoch für Berufspendler offen gehalten. Längst gibt es auch auf der deutschen Seite zahlreiche SARS-CoV-2-Infizierte. Nach der Logik, mit der Dr. F. die Blutspende verweigert wurde, dürfte eigentlich auch kein Ortenauer mehr Blut spenden. Doch völlig unklar ist, wieso Dr. F. nun ein Risiko als Blutspender darstellen soll. Er ist kerngesund, hat in seinem Arbeitstag in Straßburg keinerlei Risiko-Kontakte – da drängt sich der Gedanke auf, dass auf der deutschen Seite gerade eine völlig sinnlose Elsass-Phobie geschürt wird, die alles zunichte macht, was in den deutsch-französischen Beziehungen über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Es liegt keinerlei medizinisch begründete Kontraindikation für eine Blutspende von Dr. F. vor. Bei seiner Blutspende in Straßburg sah es dann ganz anders aus.

Im „Etablissement Français du Sang“ (EFS) staunte er, selbstverständlich nach einer Anamnese durch einen dort tätigen Mediziner, nicht schlecht über die dort vorherrschenden Hygiene-Bedingungen. „Der einzig Unhygienische war eher ich selbst, denn alle anderen haben Gesichtsmasken getragen und waren immer auf hinreichend Abstand voneinander bedacht. Vor dem Eingang in die Etage, wo gespendet wird, musste man sich die Hände desinfizieren. Sie haben nirgendwo ein Staubkorn gesehen, alles sehr, sehr sauber“, erzählt Dr. F. Unter optimalen Bedingungen spendete er seine 480 ml Blut, die nun eben französischen Patienten zugute kommen, da man sein Blut ja offensichtlich in der Ortenau nicht braucht. Doch herrschte große Verwunderung bei den Mitarbeitern des EFS, als diese erfuhren, dass er in der Ortenau deswegen nicht spenden durfte, weil er eben in Straßburg arbeitet. Hier werden neue Grenzen gezogen, Vorurteile geprägt und Misstrauen gesät, in einer Region, die seit Jahren betont, wie eng man doch zusammen gewachsen sei.

Das Elsass ist aber keine „Pfui-Zone“, in der vergiftete Zombies durch die Straßen taumeln – in Deutschland gibt es eineinhalb Mal so viele Infizierte als in Frankreich und Baden-Württemberg zählt mit 13.000 Infizierten deutlich mehr Infizierte als das „Risiko-Gebiet“ Elsass / Grand Est.

Dabei könnte es gut sein, dass die an den Tag gelegte Überheblichkeit für Deutschland schon bald zum Bumerang werden könnte. Denn das gleiche RKI, das die Region Grand Est und damit auch das Elsass, nicht aber Baden-Württemberg zur „Risiko-Zone“ erklärt hat, geht nach neuesten Schätzungen davon aus, dass es im Juni (!) 1,3 Millionen Infektionsfälle in Deutschland geben wird – und dann kann man eigentlich nur für Deutschland hoffen, dass die Nachbarn sich dann nicht ähnlich geringschätzend verhalten und ihrerseits die Türen schließen.

Das SARS-CoV-2 und seine vielfältigen Konsequenzen sind eigentlich schon schlimm genug. Dass jetzt von allen Seiten daran gearbeitet wird, längst abgebaute Grenzen wieder hochzuziehen, ist genauso schlimm – denn diese Grenzen werden auch dann noch da sein, wenn das Virus längst besiegt sein wird.

2 Kommentare zu Schmutziges Blut?

  1. Peter Cleiß // 3. April 2020 um 8:57 // Antworten

    Die Liste Jener, die derzeit auf deutscher Seite noch aktives Interesse an der dt-frz Zusammenarbeit haben ist inzwischen ziemlich klein. Angefangen von jener unsäglichen Pressekonferenz in der der Ortenaukreis die Schließung der Grenze zum Elsass bekannt gab, bis hin zum Bericht des deutschen Instituts für Katastrophenmedizin DFIKM, in welchem der Straßburger Uni-Klinik die Aufgabe aller ethischen Prinzipien unterstellt wurde, zeigen deutsche Repräsentanten öffentlicher Einrichtungen derzeit ein Verhalten das man so nicht (mehr) für möglich gehalten hätte. Die verbal-Attacke von Edouard Philippe gegen den deutsche nGesundheitsminister Jens Spahn wirkt da fast schon sanft-zurückhaltend.

    • Eurojournalist(e) // 3. April 2020 um 16:07 // Antworten

      Ja, leider. Dabei, wie von Dir richtig dargestellt, kommen die Angriffe auf diese Zusammenarbeit und Freundschaft von beiden Seiten. Dabei fällt auf, dass nach ersten Ungeschicklichkeiten die lokal und regional Verantwortlichen in BW, RP und dem Saarland versuchen, mit den französischen Partnern den zerbrochenen Krug zu kitten (Aufnahme elsässischer Patienten in Deutschland, lokale Aktionen) und je weiter die Handelnden von unserer Region entfernt sind, desto schlimmer sind die Schäden, die sie für unsere Region anrichten. Man mag sich nicht vorstellen, wie das Ende April aussieht. Oder im Mai. Oder noch später.

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